Re: Asyl
von Darken » Fr 11. Nov 2022, 20:35
Sie reisten weiter und das in einem gleichbleibend hohen Tempo, nur ab und zu legten sie eine kurze Rast ein bis es dann dämmerte und dunkel wurde und sie bei einem weiteren dieser Baumhäuser hielten. Minan hielt sich zurück viel zu sprechen, das Erlebnis mit seinen Juwelensplittern hatte ihn doch verstört und er wußte nicht wieviel Eoshan gesehen hatte und wie sie jetzt über ihn dachte. In der Nacht lag er lange auf seiner Schlafstätte wach, horchte auf die Geräusche des Waldes und kuschelte sich enger in die Decke bei jedem Wolfsheulen. Irgendwann schlief er doch ein und wie jede Nacht plagten ihn Albträume und er wachte einmal keuchend auf, glaubte felsenfest das jämmerliche traurige Weinen eines Kindes in der Dunkelheit zu hören bis ihn der Schlaf wieder einholte und er sich unruhig von einer Seite auf die andere wälzte.
Am anderen Morgen verlor er kein Wort darüber und obwohl er sich wie erschlagen fühlte, hielt er mit den anderen mit und sie drangen tiefer und tiefer in den Wald vor. Die Umgebung wurde urtümlicher und... älter. Minan betrachtete staunend die großen Bäume, berührte manche von ihnen, lauschte. Fast konnte er sie atmen und wispern hören, ein altes Raunen, verborgen im Wind. Dieses Mal hielten sie nicht, als die Dämmerung hereinbrach, da Eoshan ihnen sagte, es wäre nicht mehr weit bis zur Stadt. Der zerbrochene Prinz wagte nicht irgendwelche Einwände zu erheben, obwohl er sehr müde war und es ihn ängstigte mitten in der Nacht auf dem Boden zu gehen, wo ihn die Wölfe doch ohne Probleme erreichen konnten. Es war nicht ganz dunkel, denn Hexenfeuer schwebte zwischen den Stämmen, wirkten wie kleine Irrlichter ehe sie sich vor Minans Augen zu Geisterwölfen verwandelten, die ihn flankierten, hungrig, wartend darauf, dass er den Pfad verließ.
Er hatte unbestreitbar Angst, doch dieses Mal versuchte er sich zusammenzureißen und keinen Ton darüber zu verlieren. Irgendwann entdeckte er weiter oben in den mächtigen Bäumen die Häuser und sah auch versteckt zwischen den Ästen und Blättergewirr Brücken, Treppen... er versuchte sich darauf zu konzentrieren anstatt auf die Dunkelheit und das Licht und wie der Wald sich in der Nacht zu verändern schien und alles ein Gesicht bekam.
Minan war froh, als sie hinauf in die oberen Stockwerke der Bäume stiegen. Hier waren nun auch andere Dea al Mon und scheu drückte er sich dichter an Caelvar, weil ihnen die vielen fremden Menschen verunsicherten. Dann stiegen sie in eine seltsame Apparatur, wo sie alle ziemlich eng beiander standen und das allein trieb Minans Aufregung schon höher. Das Ding machte einen Ruck und er hielt sich an einem Holzgeländer fest, als sie nach oben.. fuhren? Seine Angst verlor sich im Moment durch sein Erstaunen als er zum ersten Mal das wirkliche Schloss sah. Es war wie nichts was er je gesehen hatte. Mehrere aus den Bäumen geformte Wölbungen verbanden sich zu einer Sammlung von Hallen, Kuppeln, Nestern. Heimelige Lichter brannten in einigen Öffnungen, aus dem Holz gearbeitete Wendeltreppen schoben sich schwungvoll um einen silbrigen Baum, dort hörte er das Plätschern von Wasser, das über Kaskaden lief, hier sah er einen weiteren dieser Fahrstühle, der bald außer Sichtweite zwischen den Blättern verschwunden war. Helle klingende Stimmen erfüllten die Stadt in den Bäumen.
Alles war fremd, alles war neu und Minan wußte nicht, wohin er zuerst hinschauen sollte und wohin nicht. Angst und Neugier kämpften gleichermaßen in ihm.
Dann aber legte sich seine Aufmerksamkeit auf einen fremden Dea al Mon, der anscheinend auf sie gewartet hatte, und selbst Minan konnte dessen Wut und Zorn fast greifbar spüren. Daneben stand eine andere Dea al Mon, auch sie schien aufgebracht und so langsam bekam es der zerbrochene Prinz mit der Angst zu tun. Was, wenn er doch nicht hier bleiben konnte? Wenn diese Leute ihn hier nicht haben wollten? Wohin würden sie ihn dann schicken?
Minan zuckte erschrocken zusammen, als ein Eichhörnchen zu Eoshan hüpfte und dann auch zu ihm. Was ihn aber noch mehr überraschte, war, dass das Tier wirklich gesendet hatte. Hatte es das? Es fühlte sich so seltsam an, ganz anders als bei einem Menschen. Das Eichhörnchen kletterte auf seinen Kopf, drohte wieder abzurutschen und ziepte dabei an seinen Haaren. Er war viel zu verdattert, um zu antworten. Und als er es endlich wollte, brüllte plötzlich der fremde Dea al Mon los und fuhr Eoshan an, warum sie nicht sofort zurückgewesen wäre.
Instinktiv machte Minan einen hastigen Schritt zurück, zog die Schultern zusammen. Die Wut des Mannes machte ihm Angst und sein Herz schlug schneller. Trotzdem fand er, sehr zu seinem eigenen Erstaunen, noch etwas Mut in sich, leise die Stimme zu erheben.
"Bitte... sie.. sie ist nicht daran schuld. Ich bin das", sagte er leise und zittrig, wagte nicht den Kriegerprinzen anzuschauen. "Ich habe alle aufgehalten, ich wollte zu Fuß gehen." Minan wartete auf die folgende Bestrafung und dass der Mann seine Wut an ihm ausließ. Warum hatte er sich überhaupt zu Wort gemeldet? Er hätte einfach schweigen können.