Re: Der Ball
von Kayne » Mi 6. Mär 2024, 10:27
"Wenn du sie noch einmal anrührst, bring ich dich um. Ist das klar?" Der Mann spuckte Gift und Galle, seine breiten Hände hatten Kayne schmerzhaft gegen die nächste Wand gedrückt und er fühlte geradezu überdeutlich jeden Finger an seinem Hals.
"Ziemlich klar, sogar sehr klar", brachte Kayne hervor und überlegte, wann er dazu gezwungen wäre, die Kunst einzusetzen. Er wollte aber keine Schwierigkeiten und kein Aufsehen verursachen, ihm schien außerdem so, als wolle der Adelige dies ebenfalls nicht und ihn nur einschüchtern.
"Schon bald werde ich ihr Gefährte sein und da kann ich so einen Schmarotzer wie dich überhaupt nicht gebrauchen!" Der andere Prinz presste Kayne noch einmal gegen die Wand, ließ ihn dann aber fallen wie ein Sack Kartoffeln. Jeder andere hätte dir schon längst eine runtergehauen, dachte Kayne und rieb sich den Hals, wo nun eindeutig die Würgemale zu sehen waren. Lady Ibelia schien irgndwie vergessen zu haben, zu erwähnen, dass sie da einen Freier hatte, der sehr empfindlich auf scheinbare Konkurrenz war. Kayne blickte dem anderen Mann nach, der wütend aus der Bibliothek stapfte. Als er endlich weg war, begann er die Bücher wieder ordentlich einzusortieren, die heruntergefallen waren und seufzte. Der Abend kroch nur so dahin und das Ende schien noch Ewigkeiten entfernt. Er dachte zum mindestens hundertsten Mal an Siandra und vermisste sie schrecklich, er wäre so gerne jetzt bei ihr gewesen...
Nach dem Aufräumen verließ er den Raum wieder, ging über eine Galerie von wo er aus einen Salon ziemlich gut im Blick hatte. Dummerweise befand sich dort unten auch Lady Ibelia, umschwärmt von einigen anderen Frauen. Wie gerne wäre er jetzt bei Siandra... er konnte ihre Gegenwart schon beinahe spüren. Sie wird mir immer nah sein. Bisher hatte er es für besser gefunden, sie bei dieser Arbeit auszublenden, doch nun mußte er immer wieder an sie denken. Moment mal.... Kayne hatte sich von dem Anblick dort unten wieder abgewandt, aber nun drehte er sich langsam wieder um. Er mußte sich an dem Geländer der Galerie festhalten, weil er das Gefühl hatte zu schwindeln, seine Knie wurden weich.
Siandra. Da unten stand wirklich Siandra. Ihre Gegenwart war nicht nur ein Gefühl gewesen, sondern Wirklichkeit. Er starrte sie, verborgen hinter seiner Maske an, sie trug ein atemberaubendes Kleid und er wußte gar nicht mehr wohin mit all seinen Gedanken, die ihm bei diesem Anblick überströmten. Als er sich einigermaßen wieder davon gefangen hatte, dass sie unglaublich schön war, dachte er an die anderen Fragen. Was machte sie hier auf diesem Ball? Ausgerechnet hier? Tania entdeckte er dann auch noch, allerdings war das nicht alles, denn in dem Moment sah er wie die zwei arroganten Männer von vorhin zu Siandra und Tania traten und ihnen ihre Getränke reichten.
Kayne wandte sich rasch von der Galerie ab. Das brauchte er wirklich nicht mehr zu sehen. Er ging einfach ins nächste Zimmer, wo zum Glück nichts war und setzte sich mit dem Rücken zu einem hohen Kleiderschrank. Er wußte nicht was er noch denken sollte, es tat nur furchtbar weh Siandra dort unten mit einem anderen Mann zu sehen. War es denn alles Lüge? Was hast du denn erwartet? Sie hat immer gesagt, dass sie so viel Spaß wie möglich will, sie hat nie gesagt, dass sie dir treu bleibt... Aber vernünftigte Argumente halfen dabei überhaupt nicht, es tat einfach nur weh.
"Lares?"
Kayne schreckte auf. Sarphaz, der andere Kellner mit dem er sich ein wenig angefreundet hatte über den Ball hindurch, war in das Zimmer getreten.
"Was machst du hier? Lady Ibelia sucht dich schon."
Kayne machte eine wegwerfende Geste. "Soll sie doch... ist mir egal." Er brütete weiter vor sich hin und Sarphaz setzte sich auf das Bett in dem Raum, betrachtete ihn kritisch.
"Woher hast du denn die Würgemale? Was ist passiert?", fragte er weiter.
Kayne seufzte, strich sich durchs Haar. "Ich bin ein Vollidiot, das ist passiert. Ich kann nicht mehr nach unten. Meine... meine..." Er brachte das Wort gar nicht mehr über die Lippen. "Freundin... ist dort unten mit einem anderen...."
"Die Glacierin?", hakte Sarphaz nach, aber Kayne schüttelte den Kopf.
"Die andere..."
"Du meinst also die, die mit diesen Begleitern angekommen sind, die schon den ganzen Abend darüber reden wie sie die beiden am besten dazu bringen, mit ihnen in die Kiste zu steigen? Der Begleiter, der einen Ring an der Hand hat, den man aufklappen könnte und wo sicher Safframate drin ist?"
Kayne blickte Sarphaz verblüfft an, der mit den Schultern zuckte und ihn angrinste. "Woher ich das weiß? Ich bin schon lange Kellner hier, und einem guten Kellner entgeht nichts. Also willst du deine Angebetete wirklich diesem Schwein überlassen?" Er streckte eine helfende Hand nach Kayne aus, der sich aufhelfen ließ.
"Nein, verdammt." Kayne rieb sich über die Fingerknöchel, ließ sie leicht knacken. "Auch wenn sie mich dann sicher für einen eifersüchtigen Vollidioten hält und sie sowieso nicht weiß, dass ich hier bin und ich von Lady Ibelia als irgendein perverser Liebhaber hingestellt werde." Er seufzte. "Das wird sicher ganz großartig." Zusammen mit Sarphaz verließ er das Zimmer und trat wieder auf die Galerie, um dann nach unten zu gehen.