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In Sions Armee





In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:35

Mit einem leissen Sirren glitt die Klinge aus der Lederscheide. Prüfend betrachtete Malateste den Stahl des Basilarden. Das kurze Schwert war rasiermesserscharf geschliffen, der dunkle Eichenholzgriff mit der charakteristischen Form war schlicht und schmucklos. Genauso wie alles andere wofür sich Malateste entschieden hatte. Er schob den Basilarden zurück in die Scheide und gürtete ihn. Der Kriegerprinz war beinahe zur Abreise bereit. Zum hundertsten Mal berührte er die Juwelen um seinen Hals, als ob er es immer noch nicht glauben konnte, und kurz dachte er an die seltsame Verabschiedung von Timaris. Es war ein Wechselbad der Gefühle gewesen, doch es hatte gut getan.

Auf dem Bett lag nun nur noch die Dhemlanische Uniform und der Einsatzkoffer für Spione. Beides würde gleich ganz tief in seinem Juwelengepäck verstaut werden. Für den ersten Teil der Reise würde der Kriegerprinz unauffällig reisen, sofern dies bei einer Erscheinung wie ihm möglich war. Malateste setzte sich auf den Bettrand und schnallte sich die Messingsporen über seine Oberschenkelhohen Reitstiefel aus Hirschleder. Der halblange, gefettete Ringpanzer den er unter einem dicken, ärmellosen, mit Rundnieten abgesteppten Lederkoller trug, gab dabei kein Geräusch von sich. Zum Ende warf er sich einen dicken, braunen Wollumhang über die Schulter der ihn vor Wind und Regen schützte. Mit einem kurzen Gedankenbefehl liess Gualterio die Uniform und den Einsatzkoffer verschwinden.

Noch einmal blickte er sich in dem Zimmer um. Es war ihm irgendwie ein zu Hause geworden. Das Bett das er leidenschaftlich mit Laree geteilt hatte, dort der kleine Tisch an dem sie manchmal gefrühstückt und sich unterhalten hatten, die ganze rustikale Einrichtung. Er lächelte leicht, manche der Einrichtungsgegenstände zeigten Spuren seiner Wutausbrüche. Doch jetzt war nichts persönliches mehr im Raum. Er hatte alles geräumt. Mit einem letzten Rundblick verließ Malateste das Zimmer und ließ den Schlüssel außen stecken. Schnell eilte er mit klirrenden Sporen zum Kasernentrakt und ging die Wendeltreppe zur Waffenkammer hinunter. Zumindest das hier hatte funktioniert - die Wachen waren instruiert einem gewissen Jason Bondinus Einlass zu gewähren und ihm freie Auswahl zu lassen. Gualterio schritt durch die reich bestückte Kammer und nahm verschiedene Waffen aus den Halterungen und führte prüfend einige Hiebe und Stiche aus. Am Ende entschied er sich für einen gekrümmten Falchion der gut ausgewogen in der Hand lag, eine typische Infanteristenwaffe, einen Satz Wurfdolche, einem Linkshanddolch und einem Schwert zu anderthalb Hand mit einer tödlich schlanken, beidseitig geschliffenen und langen Klinge. Ein flinker Schwertkämpfer konnte mit einem Anderthalbhänder eine grosse Reichweite entwickeln und es war auch die ideale Waffe um vom Rücken eines Pferdes aus zu kämpfen. Doch im dichten Getümmel taugte sie nichts, deswegen hatte der Kriegerprinz sich noch für Falchion und Basilard entschieden.

Sein nächstes Ziel war die Rüstkammer nebenan. Er wählte einen eleganten, aber schlichten Schaller mit einem geschwungenen Nackengeschübe und einem Visier, welches heruntergeklappt die Hälfte seines Gesichtes verbarg, und ein paar Panzerhandschuhe die ihm volle Beweglichkeit der Finger und Hände garantierten. Er erweckte jetzt den Eindruck eines freien Berufssöldner. Alles was er trug war schlicht, aber in gutem Zustand und funktional. Ein guter Soldat mochte in schlechten Zeiten zerschlissene Kleidung und Löcher in den Stiefeln haben, doch hielt er seine Waffen und Rüstungen immer sauber und frei von Rost. Zufrieden mit seiner Auswahl wollte der ehemalige Hauptmann schon wieder aufbrechen, als sein Blick an einer verschlossenen Tür am Ende des langen Raumes hängen blieb. In einem dämmrigen Teil der Rüstkammer reihte sich Tür an Tür, jede identisch im Aussehen und mit einem kunstvoll-raffinierten Verschlussmechanismus versehen. Doch nur eine bestimmte Stahltür in der rechten Hälfte zog die Aufmerksamkeit des Kriegerprinzen auf sich. Mit unter den Arm geklemmten Helm schritt Malateste wie von unsichtbarer Hand gezogen zur Tür. Seine Finger glitten über die Stahlbänder und Scharniere bis zu einer Öffnung in der Mitte die exakt in Form und Größe seinem Geburtsjuwel entsprach. Gualterio beugte sich vor und drückte sein Geburtsjuwel in die dafür vorgesehene Öffnung. Augenblicklich schien die Tür zum Leben erwachen. Mechanismen rasselten und knirschten, Scharniere bewegten und verschoben sich und endlich schwang die Tür nach innen auf, und gab den Blick auf einen schmalen, länglichen Raum frei. Das spärliche Licht welches in dem Rüstverlies herrschte, unterstrich den albtraumhaften Anblick nur noch, den der einzige Gegenstand in dem Raum hervorrief. Es war Malatestes Kriegsrüstung, ein kompletter Plattenharnisch. Der Stahl war geschwärzt und mit Runen und Bildern übersät die silbern darin eingeätzt worden waren. Auf den Knöcheln der Plattenhandschuhe waren lange Dornen angebracht, die Breiten Schulterplatten waren mit Klingenbrechern versehen, die Ellbogen liefen spitz zu. Doch das Aufsehenerregendste an diesem düsteren Meisterwerk der Plattnerkunst war der Helm, dessen Visier plastisch das Antlitz eines Hundes mit gefletschter Schnauze darstellte. Lange Minuten blieb Gualterio Malateste vor seiner Rüstung stehen und betrachtete sie, während Erinnerungen in seinem Inneren tobten. Das Verlangen war unbändig sie sich anziehen zu lassen, damit loszureiten und alles vom Antlitz der Erde hinwegzufegen was sich ihm in den Weg stellte. Langsam streckte der grosse Kriegerprinz seine Hand nach dem Helm aus. Im letzten Moment, nur einen Fingerbreit vom Visier entfernt, hielt er abrupt inne und zog sie schnell zurück. „Diesmal wirst du hier bleiben.“ Es war nicht klar ob die Worte an die Rüstung oder den Bluthund gerichtet waren. Malateste verliess den Raum den nur er öffnen konnte, und verschloss ihn mit seinem Juwel wieder.
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von Anzeige » Sa 19. Aug 2023, 22:35

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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:35

Das Pferd rollte wütend mit den schwarzen Augen und versuchte Malateste zu beissen. Zorn war der Name des braunen Hengstes, und der Kriegerprinz erkannte in ihm einen heimtückischen aber feurigen Charakter. Es war ein Schlachtross, für den Kampf ausgebildet und selbst eine Waffe die gnadenlos austreten und zubeissen, und weder vor einer Schlachtreihe noch lauten Kampfgeräuschen zurück schrecken würde. Doch erforderte ein Pferd wie „Zorn“ einen unnachgiebigen Reiter dem es gelang, ihm seinen Willen aufzuzwingen.

Zwei Stallburschen hatten den Hengst gesattelt und einer hielt das Pferd am Zügel fest während sich Malateste näherte. Zorn tänzelte und versuchte auszubrechen, doch die Stallwand und die beiden Stallburschen verhinderten das. Der Kriegerprinz liess sich vom Stallburschen die Zügel geben und schwang sich sofort in den Sattel. Zorn wieherte wütend, begann auszuschlagen und versuchte Gualterio abzuwerfen. Dieser passte sich jedoch jeder Bewegung des Hengstes an, zog gnadenlos an den Zügeln und setzte die Sporen ein. Nach einigen heftigen Sekunden erkannte das Pferd die Sinnlosigkeit seines Tuns und wurde ruhiger. Malateste lächelte kalt und tätschelte den Hals des Braunen, beugte sich dann vor und redete zum Pferd. „Wir beide werden uns wohl oder übel zusammenraufen, ob es dir passt oder nicht.“ Sein Blick fiel dann auf den einen Stallburschen, dem es sichtlich unwohl war von dem halblinden, zernarbten Kämpfer gemustert zu werden. „Das Schwert“, befahl Malateste und der Bursche hielt ihm den Anderthalbhänder in der Lederscheide mit dem Griff voran entgegen. Malateste schob die Waffe durch einen speziell dafür ausgesparten Schlitz im Ledersattel, wo sie schräg von oben nach unten zwischen den vielen Lederlagen des Sattels verlief, und weder Pferd noch Reiter behinderten, aber jederzeit von ihm gezogen werden konnte.

Mit einem kurzen Druck seiner bespornten Hacken lenkte er Zorn aus den Stallungen Richtung Schlosstor. Langsam ritt er die breite Zufahrt hinab zu den Landenetzen wo die Winde tobten. Am Ende der Strasse hielt Gualterio noch einmal inne, stützte seine Hände auf den Sattelknauf und blickte zurück zum Schloss. Dort würde der normale Alltag weitergehen. Irgendwo dort drin war Timaris, und der unausstehliche Prinz Asar mocht sich in seinem Büro befinden. Varisa Crowan würde ihren Tätigkeiten nachgehen, und vielleicht nahm Laera gerade eine Tanzstunde. Caleb trieb sich auch irgendwo herum. Was wohl aus dem Sklaven Aaron geworden war nachdem er gestern von der Königin mit Laree erwischt wurde?
Laree. Auch sie war dort oben im Palast. Hoffentlich ging es ihr den Umständen entsprechend gut. Denn Malateste hatte keinerlei Zweifel das Asar sie genüsslich und ausgiebig für ihr Vergehen bestraft und gefoltert hatte. Dies hatte er vermutlich damit gemeint, als er ihm gestern zurück sandte er hätte Besseres zu tun. Malateste knurrte wütend. Er war wütend auf Asar und darauf, dass er sich nicht von Laree hatte verabschieden können. Mit einem Aufschrei trieb er Zorn in die Winde hinein. Die Winde rissen unerbittlich an Pferd und Reiter und wurden erst ruhiger als Gualterio sicher in den grünen Windstrom tauchte der ihn nach Askavi bringen würde.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:36

Das nächste Landenetz zur Hafenstadt Diabris lag auf einem Hügel dessen Hang grünbewachsen terrassenförmig nach unten verlief. Rebstöcke wuchsen in die Höhe, zwischendrin standen mit roten Ziegeln gedeckte Lehm- oder Steinhütten. Nur ein paar Schäfchenwolken hingen am stahlblauen Himmel. Die Sicht war etwas diesig, doch war sie mehr als ausreichend um die Dächer der unter ihm liegenden Hafenstadt gut erkennen zu können. Und hinter der Stadt begann die endlose Weite des blauen Meeres. Es war ein atemberaubender Anblick wie von einem Gemälde. Gualterio hielt einige Zeit inne und ließ den Anblick auf sich wirken, er hatte das Meer lange nicht mehr gesehen.
Dieser Küstenteil Askavis schien von dem verheerenden Erdbeben einigermaßen verschont geblieben zu sein, zumindest konnte Gualterio keine größeren Schäden entdecken. In langsamen Trott ließ er Zorn die gewundene Straße nach Diabris hinunter trotten. Einige Landen arbeiteten in den Rebstöcken und warfen dem berittenen, schwer bewaffneten Kriegerprinzen misstrauische und teilweise furchtsame Blicke zu. Malateste kannte diese Blicke. Männer des Krieges verhießen selten was Gutes.

Die Häuser wurden immer häufiger je näher sich Gualterio der Stadt näherte. Bald standen die Behausungen so dicht, dass sie als eigene Siedlung galten. Der Übergang zur Stadt wäre kaum erkennbar gewesen, wenn nicht der alte Stadtkern durch einen Verteidigungswall von der wachsenden Besiedlung getrennt worden wäre. Diabris florierte wie jede Hafenstadt. Aus den weit geöffneten Toren flossen Ströme von Wagen in und aus der Stadt welche Handelsgüter von oder zu den Schiffen brachten. Mit der Ruhe war es vorbei. Tiere muhten, blökten oder gackerten, in vielen Sprachen wurde diskutiert oder gerufen und die eisenbeschlagenen Räder der Güterwagen rollten lautstark über die breite, gepflasterte Straße. Es war ein so starkes Kommen und Gehen, dass die Wachen unmöglich jeden kontrollieren konnten, und eher gelangweilt auf ihre Lanzen gestützt das Geschehen beobachteten. Zwar bemerkte der Kriegerprinz wie sie ihn einen Augenblick länger betrachteten als die Händler oder Bauern, doch war der Anblick eines Söldners keine Seltenheit. Bestimmt würden hier viele käufliche Kämpfer eine Schiffspassage nach Raej suchen um sich in Sions Armee anheuern zu lassen. Ihm würde ähnliches blühen, doch Malatestes erste Aufgabe hier war es, seine Kontaktperson zu finden um weitere Einzelheiten zu erfahren.

Der Kriegerprinz war fasziniert von Diabris' bunter Exotik. Hafenstädte waren schon immer ein Schmelztiegel der verschiedensten Rassen und Völker gewesen, und je mehr er sich dem Hafenviertel näherte, desto exotischer wurde der Anblick. Er erkannte viele Matrosen mit ihren weiten, knielangen weissen Hosen, den geteerten Hüten und den typischen, geölten Haarzöpfen die bis zu den Hüften fielen. Er sah tätowierte Männer mit dunkler Hautfarbe und grossen Ohrringen, alte bärtige Seebären mit zerfurchten vom Wetter gegerbten Gesichtern. Eine Gruppe blondhaariger und hellhäutiger Glacianer feilschten gerade mit einem Händler, und ab und an konnte man in der Masse der Leute die mächtigen Schwingen von grossen Eyriern erkennen die stolz daherschritten.
Gualterio beugte sich im Sattel herunter und kaufte von einem schwarzen Jungen mit perlweissen Zähnen für ein Kupfer eine Frucht. Langsam lenkte er Zorn durch die Massen und kaute an der süssen Frucht. Er war jetzt am Hafen angekommen und blickte auf die endlos scheinende Reihe von Segelschiffen. Holzkräne hievten Ballen voller Güter in die riesigen Ladeflächen der Schiffe. Malateste erkannte auch einige Kriegsgaleeren und kleine, wendige Segler die bestimmt als Nachrichtenboote fungierte.

Sein Ritt durch die Stadt hatte ihm einen ersten Überblick verschafft. Es würde noch einige Stunden bis zum Anbruch der Dämmerung dauern. Zeit genug also sich auf die Suche nach der Kontaktperson zu machen. Es dauerte eine Weile und kostete ihn einige Kupfer bis Malateste die Adresse ausfindig gemacht hatte, welche ihm Ayden angab. In einer stillen Nebengasse abseits vom Hafenviertel hielt Gualterio inne und betrachtete mit einem Stirnrunzeln das Schaufenster in der ockerfarben getünchten Hauswand. „Meister Oguls Pfandleihe & Allerlei“ stand in schwungvoller Schrift halbkreisförmig über das Schaufenster geschrieben. Die Auslage darin war ein abstruses Sammelsurium von den unmöglichsten Dingen. Ein altes Schaukelpferd für Kinder, eine Anziehpuppe mit Kleidern die vor hundert Jahren mal in Mode gewesen waren, ein angelaufener Dolch mit schwarzer Spitze, ein hölzernes Blasrohr, ein Stapel Bücher die arg verstaubt aussahen, vergilbte Seekarten und ein Bild von einem kleinen Schiff das in sturmgepeitschter See im Schlund eines gigantischen Leviathans verschwand, waren nur ein Teil der abstrusen Auslage.

Malateste überprüfte noch einmal den Straßennamen. Zweifellos war dies besagte Adresse, doch der Kriegerprinz hatte irgendwie etwas anderes erwartet. Zögernd schwang er sich aus dem Sattel und band Zorns Zügel an einem Stahlring in der Wand fest. Beiläufig versah er Zorn mit einem grünen Schild, was eigentlich unnötig war – Zorn würde jedem der es wagte sich ihm zu nähern eines Besseren belehren. Unter dem hellen Klingen eines Glockenspiels über der Tür betrat Malateste den Laden. Eigentlich hätte ihn das Schaufenster vorwarnen sollen auf das was ihn erwartete, trotzdem sprachlos blickte sich der Kriegerprinz um.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:37

Der Geruch der in der Luft hing erweckte den Eindruck von verstaubtem Alter. Die Tür fiel ins Scharnier und schloss die Geräusche von der Straße aus. Malateste hatte plötzlich das Gefühl in eine andere Welt eingetaucht zu sein. Das Ticken verschiedener Uhren drang an sein Ohr. Im verwinkelten, halbdunkeln Raum waren verschiedenste Uhren verteilt. In einer Ecke befand sich eine grosse Standuhr, und verschiedene Pendulen hingen an Wänden oder lehnten wie achtlos platziert irgendwo an einem Regal. Keine der Uhren zeigte dieselbe Zeit an. Der Laden konnte nicht mit einem Blick erfasst werden, da der Raum durch deckenhohe Regale abgetrennt wurde, was einen labyrinthartigen Eindruck vermittelte. In einem getrockneten, ausgehöhlten Elefantenfuss neben der Tür standen Schirme und Spazierstöcke in verschiedenster Form und Farbe. Staunend schritt Malateste durch das Kuriositätenkabinett. Lichtstrahlen fielen durch das trübe Fenster und liessen Staubflocken einen Tanz in der Luft ausführen. Gualterio betrachtete neugierig eine mumifizierte, haarige Affenpfote die zwei knorrige Finger in die Luft reckte. Der Kriegerprinz streckte seine Hand aus um sie zu berühren.

„Das würde ich an eurer Stelle nicht tun Prinz, es sei denn ihr wisst genau was ihr euch wünscht.“ Malateste hielt inne und blickte in Richtung der Stimme. Ein knorriges Männchen in einem zu grossen roten Samtmorgenmantel stand zwischen zwei Bücherregalen. Sein Kopf war umrahmt von weissen, langen aber spärlichen Haaren. Auf seiner Hakennase sass eine Halbmondbrille. Gualterio bemerkte an den Füssen des Männchens zwei verschiedene Pantoffeln als es noch einen Schritt auf ihn zumachte. Der Gesamteindruck den der Mann vermittelte war gelinde gesagt skurril, doch dem Kriegerprinzen entging nicht das ihn kluge Augen hinter der Halbmondbille anfunkelten. „Seid ihr sicher, dass ihr euch nicht verirrt habt Prinz? Die nächste Taverne liegt einige Strassen weiter.“ Das Männchen musterte Malateste noch einen Augenblick und staubte dann mit einem Wedel aus Vogelfedern über ein nautisches Gerät aus Messing. „Ich bin nicht auf der Suche nach einer Taverne“, knurrte Malateste und musterte den Ladenbesitzer mit seinem gesunden Auge während das milchigweisse unter der Narbe trüb ins Leere zu blicken schien.

„Dann seid ihr womöglich bankrott und wollt etwas verkaufen?“ Meister Ogul studierte die Ausrüstung des Kriegerprinzen. „Für den Falchion mache ich euch einen guten Preis. Ihr habt die Möglichkeit ihn innerhalb von dreissig Tagen mit 14.5 Prozent Zinsen zurück zu kaufen bevor er in meinen Besitz übergeht.“
Gualterio schüttelte leicht genervt den Kopf. „Nein, ich will nichts verkaufen, und nein, ich suche nichts Bestimmtes. Ich bin ein Spontankäufer.“
Meister Ogul schob sich die Brille etwas höher auf die Nase. „Wie ihr meint, Prinz.“ Munter wedelte er weiter, liess Malateste aber nicht aus den Augen und folgte ihm auf Schritt und tritt durch den Laden. Gualterio hegte massive Zweifel, dass er hier richtig war. Das konnte doch nicht wirklich die Kontaktperson sein? Er stellte sich gerade vor wie Ayden sich totlachte bei der Vorstellung Malateste in den Trödelladen eines Verrückten geschickt zu haben um sich dort selbst zum Narren zu machen. Der zernarbte Kämpfer blätterte inzwischen in einer Kiste mit Bücher. Zerfledderte Ausgaben von wissenschaftlichen Abhandlungen bis hin zu Trivialliteratur. Der Kriegerprinz zog ein Buch hervor. Auf dem Umschlag war eine Illustration einer spärlich bekleideten Königin die sich an die breite Brust eines ebenso halbnackten Mannes schmiegte. „Flammen der Leidenschaft von Tarek la Croix“ stand darunter. Gualterio hielt das Buch zu Meister Ogul der leise kicherte. Malateste holte ein weiteres Buch hervor. „Die Geschichte des O – gefangen im Boudoir der Königin, von Tarek la Croix“. Das Männchen zuckte nur mit den Schultern.
„Was schaut ihr mich an Prinz, ich hab das nicht geschrieben, und die Leute mögen es.“

Der Kriegerprinz stöberte weiter durch den Laden. Oft musste er sich wegen seiner Grösse bücken um unter Dingen hindurch zukommen die von der Decke hingen. Er betrachtete den ganzen abstrusen Krimskrams und rang innerlich mit sich. Schliesslich drehte er sich zu Meister Ogul um und brachte doch die verdammte Frage über die Lippen. „Vielleicht könnt ihr mir doch weiterhelfen. Ich bin ein leidenschaftlicher Sammler von Briefmarken und suche einen Fehldruck des braunen Habichts, einer dhemlanischen Vier-Kupfermarke die vor 25 Jahren gedruckt wurde.“ Er hasste Ayden wirklich aus ganzem Herzen.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 22:38

Meister Ogul - Fara

Irgendwo in den Tiefen des Geschäfts schlug eine der Uhren eine seltsame disharmonische Musik, war für den Moment das einzige, was das Schweigen unterbrach was sich zwischen den beiden ungleichen Männern eingestellt hatte, nachdem der Kriegerprinz nach der Briefmarke gestellt hatte. Dann wackelte der alte Mann plötzlich mit seinem Kopf, was genausogut ein Nicken oder Kopfschütteln darstellen konnte. Er leckte sich die gelb angelaufenen Fingerspitzen, strich sich die schlohweißen Haare glatt und rieb sich dann die verknoteten langen Finger.
"Ah, ihr habt Glück, Prinz, euch muss jemand einen guten Tipp gegeben haben, euch zu Meister Ogal geschickt zu haben", bemerkte er dann, wandte sich um und ging in raschen aber kleinen Schritten durch den verwinkelten Laden, wobei die leichte Schleppe seines Morgenmantels, den er eigentlich immer trug, den Staub auf den Holzdielen nach sich zog.
Der alte Dhemlaner kicherte rau in sich hinein. "Wahrlich Glück. Dieser Fehldruck ist sehr selten, gibt es nicht mehr oft, sehr alt. Aber ihr seid ein Kenner, Prinz, das sehe ich sofort." Er hob seinen Zeigefinger, der einen längeren Fingernagel als die anderen besaß, damit er die Bücher schneller umblättern konnte. Hinter einigen Stapeln Büchern und diversem Trödel wie ein Elefant aus Messing und ein riesiger Milchkrug aus dunkelbraunem Ton zog Meister Ogul eine Trittleiter hervor, die ihre besseren Tage auch schon länger hinter sich hatte.

Der alte Mann kletterte dennoch flink die Leiter hoch und fuhr mit dem Finger über einige von der Sonne vergilbte Alben in den oberen Regalfächern entlang bis er glaubte das richtige gefunden zu haben. Dann erkannte er seinen Irrtum, schüttelte den Kopf und kam wieder herunter.
"Ihr müßt einem alten Mann vergeben, der alte Klimperkasten funktioniert nicht mehr so gut wie einst." Er tippte gegen seine Schläfe, aber seine wachen Augen bewiesen das Gegenteil. Allenfalls war er ein wenig zerstreut. Immer noch hatte er bis dahin nichts von dem Losungssatz gesagt, in der Tat ignorierte er einfach vollkommen warum der Kriegerprinz wirklich hier war.
Er winkte dem großgewachsenen Mann eifrig ihm zu folgen, stapfte in den nächsten Raum, wo noch mehr Trödel und skurile Gegenstände zu finden waren, sie türmten sich bis zur niedrigen Decke. In einem Schaukelstuhl saß eine äußerst dicke Katze, die sich nicht rührte und genausogut ausgestopft sein konnte. Meister Ogul ignorierte sie, ging zu einer Kommode mit sehr schmalen Schubfächern, zog eine nach der anderen auf bis er doch noch ein Album mit dhemlanischen Briefmarken gefunden hatte. Triumphierend wuchtete er den riesigen Folianten auf die Theke, schlug eine Seite auf und tippte auf die besagte Briefmarke wie als hätte er einen verlorenen Schatz gefunden.
"Die Vier-Kupfermarke Brauner Habicht, ein geübtes Auge erkennt den Fehldruck an dem fehlenden Auge des Habichts", erklärte er und kicherte wieder. "Spontankäufer, jaja, ihr könnt Meister Ogul nicht zum Narren halten. Niemand kauft spontan einen der seltensten Fehldrucke der letzten drei Jahrtausende." Meister Ogul schob seine Brille zurück auf den Nasenhügel und blickte den Kriegerprinzen abwartend an. "Dreihundertfünfzig Goldmark, Prinz. Das ist eine Ausgabe, die ihr gewiss nicht bereuen werdet."
Nicht viele Spione waren auch Philatelisten. Obwohl schon viele durch Meister Ogul mit dieser durchaus kostspieligen Leidenschaft bekannt geworden waren. Und obgleich er schon äußerst angemessen für seine anderen Dienste bezahlt worden war, so konnte es nie schaden, einen neuen Kunden zu gewinnen. Der alte Mann wischte mit einem Tuch, das genausogut auch sein Schnupftuch sein konnte, über einen Teil der Glasvitrine, die gleichzeitig als Theke diente. Darunter schimmerten Dutzende von alten Ringen, Ketten und Ohrringe, die man hier versetzt und nie mehr abgeholt hatte.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:39

Statt der erwarteten codierten Antwort auf die dämliche Briefmarkenfrage meinte Meister Ogul nur, jemand müsse Malateste einen guten Hinweis gegeben haben, und das Männchen verschwand mit tippelndem Schritt in den Tiefen seines Reiches. Dem Kriegerprinz hatte nicht mal Zeit für eine Antwort, und es blieb ihm nichts anderes übrig dem Ladenbesitzer zu folgen, bevor er im Labyrinth seines Kuriositätenkabinetts verschwand. Gualterios Blick fiel auf den Saum des Morgenmantels der beinahe die Dimension einer Schleppe besass. Eigentlich brauchte er nur der breiten Schleifspur im Staub zu folgen die Oguls Mantel auf dem Boden hinterliess.

Der Mann, der genauso kurios wie sein Laden war, kicherte und plapperte über die Marke deren Wert und Seltenheit. Er zog dort ein Buch aus einem Regal und dann da, bevor er plötzlich zwischen einem Messingelefanten und einem überdimensionalen Milchkrug eine abenteuerlich wackelnde Trittleiter hervorzog und flink darauf hochkletterte. Oben angekommen durchblätterte er mehrere Alben, während Malateste unten bereit stand, den Wicht jederzeit aufzufangen falls er von der Leiter kippen sollte. Doch nichts dergleichen geschah, Ogul kam wieder herunter und tippte sich an die Schläfe. "Ihr müßt einem alten Mann vergeben, der alte Klimperkasten funktioniert nicht mehr so gut wie einst."
Gualterio war nahe daran ihm zuzustimmen und fragte sich was hier eigentlich abging. Nichts von dem was Meister Ougl von sich gegeben hatte klang nur ansatzweise wie der Losungssatz. Das Mänchen deutete ihm eifrig zu folgen und wuselte wieder von dannen, den Kriegerprinzen dicht auf den Fersen. Ein Durchgang tat sich vor ihnen auf der in einen weiteren Raum führte, welcher sich in keinster Weise von dem Sammelsurium des Anderen unterschied. Wie viele solcher Räume mochte es wohl geben? Gualterio hatte plötzlich die Vision eines riesigen Irrgartens. Es würde ihn nicht wundern, wenn er irgendwo auf das modernde Gerippe eines früheren Besuchers stiess der sich hier verirrt hatte.

Der grosse Spion wider Willen erhaschte einen kurzen Blick auf eine dicke, regungslose Katze auf einem Schaukestuhl die genauso gut tot wie lebendig sein konnte, ehe Meister Ogul seine Aufmerksamkeit verlangte. Der Ladenbesitzer hievte gerade einen weiteren Folianten aus der Schublade einer Kommode und knallte ihn auf die Ablage, so dass der Staub in alle Richtungen davonstob. Er klappte den Folianten auf und tippte voller Triumpf mit seinem langen gelben Fingernagel auf eine Stelle irgendwo in der Mitte der Seite.
"Die Vier-Kupfermarke Brauner Habicht, ein geübtes Auge erkennt den Fehldruck an dem fehlenden Auge des Habichts", erklärte er und kicherte wieder. "Spontankäufer, jaja, ihr könnt Meister Ogul nicht zum Narren halten. Niemand kauft spontan einen der seltensten Fehldrucke der letzten drei Jahrtausende." Meister Ogul schob seine Brille zurück auf den Nasenhügel und blickte den Kriegerprinzen abwartend an. "Dreihundertfünfzig Goldmark, Prinz. Das ist eine Ausgabe, die ihr gewiss nicht bereuen werdet."

Malateste betrachtete leicht entgeistert erst die kleine Briefmarke auf die Ogul deutete, dann wieder das Männchen. Das konnte doch nicht wahr sein? Er wollte nur Kontakt aufnehmen, und jetzt sollte er tatsächlich einen Schnipsel Papier für sagenhafte 350 Goldmark kaufen? Er hatte keinerlei Zugriff auf sein Malateste-Vermögen und besass nur das Geld was er in seinem Juwelengepäck bei sich trug. Gut, es war nicht wenig, aber wenn das so weiterging wäre er binnen kürzester Zeit bankrott.
Der Kriegerprinz nahm eine Leselupe zur Hand die an einer Kette befestigt an der Kommode hing. Er beugte sich über die Theke und betrachtete mit seinem optisch gesunden Auge die ominöse Briefmarke. Dabei achtete er darauf dem kleinen Mann nicht den Rücken zuzudrehen, auch wenn dieser eher damit beschäftigt war mit einem Tuch die gläserne Theke abzustauben als ihn von hinten anzufallen. Dank dieser Behandlung konnt man wieder durch die Scheibe blicken und darunter funkelte ein Meer von Schmuck und Kleinoden.

Wenn Meister Ogul ihn für einen Philatelisten hielt, würde er sich auch so benehmen. Durch die Lupe gewann die Marke an Grösse. Unverkennbar war darauf ein augenloser Habicht abgebildet. Scheinbar hatte eine Verschmutzung auf der kupfernen Druckmatrix zufälligerweise genau diese Stelle abgedeckt. Danach waren vermutlich einige Druckbögen hergestellt worden ehe der Fehler bemerkt wurde. Die fehlerhaften Bögen gelangten dann in Umlauf, die Umschläge wurden weggeworfen und vielleicht hat nur eine Handvoll der Briefmarken überlebt, bevor von Sammlern der Fehler entdeckt worden war, und ihr Wert in die Höhe katapultierte.
Gualterio hatte keinen Schimmer ob die Marke echt war oder nicht. Er hatte auch nie daran gedacht wirklich eine Briefmarke kaufen zu müssen. Das sollte doch schlicht ein blöder Losungssatz sein! Aber er traute es Ayden sowie Oglu zu, dass dies zum Teil des Handels gehörte. Wie viele Spione waren schon vor ihm hier gewesen und hatten dann den Laden mit etwas Gekauftem Verlassen das sie nie im Leben haben wollten?
Lange studierte Gualterio die Marke und gab dabei ein interessiertes und kritisches Gebrumme von sich, Meister Ogul sollte seinen Spass an ihm haben. Schliesslich richtete sich Malateste wieder auf.
„In der Tat. Das ist besagtes Stück, der Hinweis der mich zu euch führte war sein Geld wert. Doch leider ist in der unteren linken Ecke die Zahnung beschädigt und oben hat die Marke einen Knicks. Ich gebe ihnen 230 Goldmark, und wir verlieren kein Wort darüber, dass sie mich über den Tisch ziehen wollten.“
Die Marke konnte 1000 Goldmark wert haben oder auch nur 5, sie konnte echt oder eine Fälschung sein. Meister Ogul konnte ihm alles erzählen und Malateste war von ihm abhängig, aber bei der Hölle, 350 Goldmark würde er dem Wicht nicht dafür bezahlen!
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 22:40

Meister Ogul

Es war schon ein skuriles Bild wie sich der hünenhafte Kriegerprinz über die kleine Theke und den Folianten beugte, um die Briefmarke zu begutachten. Meister Ogul kicherte wieder leise vor sich hin, denn sie wußten beide sehr genau, dass es nur eine kleine Farce war wie der Prinz die Briefmarke durch die Lupe ansah und genau studierte, während er vor sich hin brummte und murmelte. Meister Ogul wußte einen guten Schauspieler zu schätzen, aber das waren viele Spione. Selbst wenn dieser nun ganz und gar nicht wie einer aussah.
Der alte Dhemlaner blieb geduldig hinter der Theke stehen, wippte mit den Füßen leicht vor und zurück bis der Kriegerprinz soweit war, sich wieder aufrichtete und meinte, der Hinweis, der ihn hierher geführt hätte, wäre wirklich sein Geld wert gewesen. Jedoch meinte er dann, die Marke wäre an der Zahnung leicht beschädigt und hätte außerdem einen Knicks, er würde ihm nur 230 Goldmark geben. Meister Ogul nahm seine Brille ab und putzte sie an seinem Morgenrock sorgfältig.
"Ich bin untröstlich, wirklich untröstlich. Niemals habe ich einen Kunden über den Tisch ziehen wollen. Hier ist noch jeder zufrieden gegangen", beteuerte er, nahm die Lupe zur Hand und betrachtete selbst noch einmal den Habicht. "Nun nun... das Alter. Unversehrt wäre sie noch weit mehr als 350 Mark wert, das war bereits ein sehr günstiges Angebot."
Er legte die Lupe wieder beiseite, betrachtete den Spion kritisch, nachdem er sich wieder seine Brille aufgesetzt hatte. "Aber ich sag euch was. Ihr gebt mir 270 Goldmark und ich gebe euch noch... Moment..." Meister Ogul drehte sich um, klappte eine alte Truhe auf und wühlte darin geschäftig herum bis er ihr aus den Tiefen eine silberne Taschenuhr entriss, die man aufklappen konnte. "Dies hier." Er lächelte verschwörerisch, schob die Uhr über die Theke zu dem Kriegerprinzen. "Es wird euch eurer Herzensdame näher bringen. Vertraut mir." Der Satz entsprach zumindest zum Teil dem Losungssatz. Der alte Mann kicherte wieder, begann kurz zu husten und schlurfte dann zur Eingangstüre, um das dortige vergilbte Schild von 'Offen' zu 'Geschlossen' umzudrehen.

"Tragt den Habicht stets bei euch", empfahl er dem Kriegerprinzen und wartete dann bis jener bezahlt hatte. Zu so einem Angebot konnte man doch schlecht nein sagen. "Kommt, kommt..." Meister Ogul ging zu einem Vorhang, schob ihn beiseite und machte eine einladene Geste. Dahinter war ein schmaler niedriger Flur mit vielen alten Gemälden von Männern und Frauen. Zwischendrin war auch ein Schaukasten mit Schmetterlingen oder Insekten, die im kurzen Vorbeigehen fast lebendig wirkten und mit den schillernden Flügeln schlugen. Sie gelangten in einen sehr warm geheizten Raum, der entweder ein Teil des Geschäftes oder das Wohnzimmer darstellte. Vor dem Kachelofen lag die weiße Katze.
"So, hier ist alles was ihr für die Passage nach Dhemlan braucht", murmelte Meister Ogul, zog ein dünnes Blättchen aus einem alten Sekretär, "Und das ist alles was ihr braucht um auch wieder herauszukommen." Es folgte ein erheblich größerer Stoß Papiere. "Und die letzten Informationen über die Zielperson, ihr letzter bekannter Aufenthaltsort. Ihr Name ist Amber Mahasin, sie trägt opale Juwelen. Wenn sie tot ist, müßt ihr einen eindeutigen Beweis mitbringen."
Meister Ogul drückte dem vernarbten Kriegerprinzen alles in die Hand.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:41

Sofort stieg Meister Ogul auf Malatestes Feilschen ein. Er beteuerte, noch nie einen Kunden über den Tisch gezogen zu haben, und das jeder bisher zufrieden gewesen war mit seinem Handel. Nun betrachtete der knorrige Dhemlaner selbst noch einmal die Marke mit der Lupe, machte dann ein Gegenangebot von 270 Goldmark und kramte aus den unergründlichen Tiefen einer Truhe noch eine silberne Taschenuhr heraus, die er dem Kriegerprinz überreichte. "Es wird euch eurer Herzensdame näher bringen“, meinte der Händler. „Vertraut mir."
Dieser eine Satz entsprach zumindest ansatzweise der Losung. Ogul schien Spass an ihm zu haben, und daran, dass Gualterio auf die Farce eingestiegen war. So wurden sie sich handelseinig, und nachdem der Kriegerprinz schweren Herzens 270 Goldmark abgedrückt, und dafür eine Taschenuhr unbekannter Qualität und eine Briefmarke unbekannten Wertes erhalten hatte, deutete Ogul ihm erneut durch die verwinkelten Innereien seines Ladens zu folgen.
Nach einem Abstecher zur Eingangstür die er verschloss und mit einem „Geschlossen“-Schild versah, wurde der Kriegerprinz in einen anderen Teil des Ladens gelotst.
Auf dem Weg dorthin schärfte ihm Meister Ogul ein den Habicht stets bei sich zu tragen. Gualterio hatte nichts anderes vor. Zurück in Hayll würde er einen Philatelisten aufsuchen und herausfinden was ihm da angedreht worden war. Und wer weiss, vielleicht konnte er die Marke schon früher einsetzen. Vorsichtig verstaute er sie zusammen mit der Uhr in seinem Kuriositätenbeutel zu der Münze die Alessandro ihm gegeben hatte. Was wohl sonst noch alles im Laufe der Mission in diesem Beutel landen würde?

„Kommt, kommt“, forderte ihn Meister Ogul auf und zog einen Vorhang zur Seite der in einen Flur mündete an dessen Wände unzählige Portraitgemälde von Männern und Frauen hingen, deren Farbe durchs Alter schon ganz dunkel geworden waren. Wenn dies Oguls Privatgemächter waren, unterschieden sie sich nicht sonderlich von seinem Laden. Der Raum am Ende des Flures wurde durch einen Kachelofen beheizt, beinahe überheizt, vor dem die dicke weisse Katze lag die vorhin noch im Geschäft auf einem Stuhl sass. Offenbar war sie doch nicht ausgestopft gewesen.

Der alte Dhemlaner mit dem schütteren weissen Haar holte ein Blatt aus dem Schrank und drückte es ihm in die Hand. Darauf sei alles vermerkt was er für seine Passage nach Dhemlan brauche. Dann drückte er Malateste einen dicken Stoss Papier nach. "Und das ist alles was ihr braucht um auch wieder herauszukommen. Und die letzten Informationen über die Zielperson, ihr letzter bekannter Aufenthaltsort. Ihr Name ist Amber Mahasin, sie trägt opale Juwelen. Wenn sie tot ist, müßt ihr einen eindeutigen Beweis mitbringen."

Der Kriegerprinz blätterte kurz durch den Aktenstapel und hielt bei der Seite über besagte Zielperson inne. Unter einem skizzierten Portrait einer Frau waren Informationen über sie. Alter, Name, letzter Aufenthaltsort und so weiter. Ein Eintrag unter „Besondere Merkmale“ besagte, dass sie eine gewisse Tätowierung über dem Hintern trug. Malatestes Gesichtsausdruck blieb eisern und verriet nichts über seine rasenden Gedanken. Das hier war ein Auftrag für einen anderen Spion, und zwar die Eliminierung dieser Amber Mahasin, mit Aydens Tätowierung gezeichnet, letzter Aufenthaltsort Dhemlan. Und mit Beweis ihres
Todes. Da wollte jemand auf nummer Sicher gehen. Gualterio versuchte sich möglichst viel vom Steckbrief einzuprägen bevor er Meister Ogul ein gefährliches Lächeln schenkte.

„Ihr werdet alt Meister Ogul.“ Er warf dem Ladenbesitzer den Stoss Papiere so zu, dass dieser automatisch versuchte sie aufzufangen. Dieser Augenblick reichte Malateste um den Basilarden zu ziehen. Das Licht der Öllampe reflektierte auf dem kalten Stahl den Malateste dem Dhemlaner unter die Nase hielt. „Ich bin nicht der welcher nach Dhemlan muss, ich bin der welcher für Raej bestimmt ist.“ Das Lächeln war aus dem Gesicht der Kriegerprinzen verschwunden, fahl stach die Narbe aus seinem gebräunten Gesicht hervor und das gesunde Auge war schwarz wie die Nacht. „Ihr seid ein Sicherheitsleck, ich müsste euch laut Reglement umgehend töten.“ Malateste machte eine kurze Pause. „Betonung auf müsste. Doch wenn ihr mir die Raej-Akte gebt und dann verratet, ob der Auftraggeber der Raej-Mission identisch ist mit dem der Dhemlan-Mission, und ihr mir alles erzählt, was ihr über den Auftraggeber wisst, sehe ich davon ab das Fell dieser Katze mit eurem Blut rot zu färben.“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 22:42

Meister Ogul

Der Kriegerprinz überflog die Papiere ehe er sie plötzlich zurückwarf und Meister Ogul sie überraschend schnell und geschickt für sein Alter wieder auffang. Dennoch hatte der Mann ihm in der kurzen Zeit seinen Basilarden ans Kinn gehalten, blickte ihn kühl an und erklärte, dass er nicht nach Dhemlan müsse, sondern nach Raej.
"Oh... oh, ihr seid der Loraka Mann", entfuhr dem alten Dhemlaner. Der Kriegerprinz warf ihm vor, er wäre ein Sicherheitsleck, er müsse ihn eigentlich umgehend töten. Meister Ogul machte vorsichtig einen Schritt zurück, während der vernarbte Spion forderte, dass er ihm die Raej-Akte gäbe und ihm alles über den Auftraggeber erzählen solle was er wüßte.
Meister Ogul schüttelte bedauernd den Kopf. "Ach, ihr müßt mir verzeihen, hier gehen so viele Liebhaber von Briefmarken ein und aus, da kann man schonmal den ein oder anderen verwechseln." Vor allem wenn sich gewisse Spione verspäteten und dergleichen. Er rang seine knöchernen Hände mit den Altersflecken auf der straff gespannten papiernen Haut. "Dann muss ich euch bitten mir die Uhr zurückzugeben, sie ist nicht für euch bestimmt. Ich bin untröstlich", entschuldigte er sich noch einmal. Ogul wandte sich von der ausgestreckten Waffe ab und begann die Akte über Dhemlan und der Frau wieder zu verstauen ehe er dann eine neue hervorholte.
"Ihr geht an Bord eines Frachtschiffes, der Schwarzen Taube, das aus Dhemlan kommt, hier Waren aufnimmt und bei Loraka vor Anker geht. Der Kapitän weiß Bescheid, dass ihr seit Dhemlan auf dem Schiff seid. Die Transferpapiere solltet ihr bereits haben, ihr kommt von der 4. Kompanie in die 2. Hier ist alles was wir über die vierte wissen, falls euch jemand danach fragt." Er tippte auf die Akte. Es war nicht gerade viel, denn soweit Meister Ogul wußte, ging die Mission auch darum Informationen über die inneren Strukturen der dhemlanischen Armee zu sammeln, ihren Taktiken, ihren Plänen und ihrer Moral. "Und die Daten zur Kontaktperson in Loraka, kontaktiert sie nur wenn unbedingt notwendig, es ist sehr riskant."

"Ja, der Auftraggeber ist identisch, aber ich bekomme meine Angaben auch nur von einem Mittelsmann. Ich kann euch nichts über ihr oder ihn sagen", beteuerte der alte Mann. "Verzeiht, ihr solltet diese Akte niemals sehen. Ihr solltet froh sein, dass ihr nicht der arme Hund seid der nach Dhemlan muss. Mein.. Land ist nicht mehr das was es war. Es liegt im Sterben wenn es so weitergeht." Einer der Gründe warum er aus dem Exil versuchte so gut es ging zu helfen, Dhemlan zu helfen.
"Nun solltet ihr zum Hafen aufbrechen anstatt einen alten Mann zu bedrohen. Dazu seid ihr zu gut, Prinz", entgegnete Meister Ogul, musterte den Mann aus wachen Augen hinter seinem Brillengestell. "Gebt dem Kapitän das hier von mir." Er rief eine kleine fünfeckige Holzdose mit gutem Schnupftabak herbei. "Ich muss euch noch um die Uhr bitten, Prinz... wirklich untröstlich." Er schüttelte mehrmals den Kopf, murmelte etwas von Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Dann zog er aus einer der tiefen Taschen seines Morgenmantels eine kleine Schmuckdose in Form einer Brombeere, sie war sehr filigran und die Edelsteine halb durchsichtig, so dass man ins Innere der Dose blicken konnte. Oben auf befand sich eine rosa Blüte mit silbernen Rand eingefasst in dessen Mitte ein kleines Schloss eingelassen war.
"Das wird euch eurer Herzensdame näher bringen. Vertraut mir", bekräftigte Ogul und lächelte, so dass sich die kleinen Fältchen an seinen Augen stark zusammenzogen. "Und verzeiht mir die kleine Verwechslung. Das wird unter uns bleiben, ja?"
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 22:44

Mit einem beinahe komischen „Oh, ihr seid der Loraka Mann", gestand Ogul das Missverständnis ein. Malateste nahm eine geduckte Angriffsposition ein, ihm war nicht entgangen wie flink und behände der Trödelhändler die Akte aufgefangen hatte. Der alte Mann nannte vermutlich sehr viel Erfahrung sein Eigen. Wie lange mochte er wohl schon in dem gefährlichen Spionagegeschäft tätig sein?
Der kauzige Händler blieb seiner Rolle weiterhin treu, obwohl ein Fuss tödlicher Stahl auf seine Kehle gerichtet war. Blumig entschuldigte er sich, meinte das so viele Briefmarkenliebhaber hier ein und ausgingen, dass eine Verwechslung schon mal vorkommen könnte. Gualterio verengte seine Augen zu Schlitzen. War es am Ende kein Zufall das Ogul ihm die falsche Akte gegeben hatte, sollte er sie sehen?

Der alte Mann rang indes seine knochigen Händen unter einem steten Schwall von Beteuerungen und forderte die Taschenuhr zurück. Dann drehte er dem Kriegerprinzen tatsächlich den Rücken zu um die Akte zu verstauen. Ogul schien sich sehr sicher zu sein das Malateste ihn nicht töten würde. Der Kriegerprinz baute indes instinktiv einen grauen Schild vor sich auf, doch als Ogul sich wieder zu ihm umdrehte hielt er keine Waffe in der Hand, sondern eine weitere, gegenüber der anderen etwas dünnere, Akte. Seinen Ausführungen nach offensichtlich die Richtige. Gualterio sollte mit einem Frachtschiff, der Schwarzen Taube, reisen. Dessen Kapitän war eingeweiht und würde bestätigen ihn seit Dhemlan an Bord zu haben. Anbei waren auch Transferpapiere und alles was sie über die vierte Kompanie wussten. Leider war dies unerfreulich wenig, aber es war Teil seiner Aufgabe dies zu ändern. Zum Schluss erwähnte Ogul noch eine Kontaktperson in Loraka, schärfte ihm aber ein, den Kontakt nur im Notfall zu aktivieren.

Dann reagierte der alte Mann doch noch auf Malatestes Drohung. Er beteuerte ihm, nicht zu wissen wer der auftraggeber war, doch bestätigte Ogul zumindest, dass es sich bei beiden Aufträgen um denselben handelte. Der alte Dhemlaner wurde ernst, meinte Malateste könne froh sein nicht der arme Hund mit dem Dhemlan-Auftrag zu sein und das Dhemlan nicht mehr das sei was es gewesen war, es im Sterben liege. Gualterio spürte die Trauer in den Worten des alten Mannes, und ihm wurde zum ersten Mal richtig bewusst, dass nicht alle Dhemlaner Sions willige Handlanger waren.
"Nun solltet ihr zum Hafen aufbrechen anstatt einen alten Mann zu bedrohen. Dazu seid ihr zu gut, Prinz." Gualterio fragte sich was Ogul mit diesen Worten meinte, seine Qualifikation oder sein Ehrgefühl? Der Gedanke verpuffte als der alte Dhemlaner meinte er sollte nun zum Hafen aufbrechen statt ihn zu bedrohen. Er zauberte eine Schnupftabakdose für den Kapitän hervor und forderte dann noch einmal die Uhr zurück die nicht für ihn bestimmt sei.

Malateste beschloss den Dhemlaner am Leben zu lassen und schob den Basilarden in die Scheide zurück. Vielleicht war es ein Fehler, aber er war sich ziemlich sicher das Ogul nicht annähernd so schrullig und vergesslich war wie er tat. Der Kriegerprinz nahm die Tabakdose entgegen und reichte dem Händler im Gegenzug die Taschenuhr. Ogul murmelte derweil leise einen Sermon über Verlässlichkeit und Pünktlichkeit vor sich hin, während er in den unergründlichen Tiefen einer Tasche seines Morgenmantels herumtastete und Gualterio unvermittelt eine wunderbar gearbeitet Schmuckdose in Form einer Brombeere entgegenhielt.
"Das wird euch eurer Herzensdame näher bringen. Vertraut mir", dieser Satz entsprach nun bis aufs Wort der vereinbarten Losung. Meister Ogul lächelte herzlich. "Und verzeiht mir die kleine Verwechslung. Das wird unter uns bleiben, ja?"

Der Kriegerprinz ging zunächst nicht auf Oguls Frage ein, sondern drehte die filigrane Schmuckdose in seinen grossen Händen und betrachtete sie von allen Seiten. „Hat dieses Ding auch eine tiefere Bedeutung? Was soll ich damit?“ Er fixierte den Kontaktmann. „Und sagt mir bloss nicht, dass ich es herausfinde wenn es soweit ist.“ Dann lächelte er. „Und ja, ich werde euer kleines Malheur dafür für mich behalten.“
Eine Wanduhr schlug die Stunde. Malateste bemerkte das es nicht dieselbe Zeit wie auf der Taschenuhr war, und das es kurz vor der Zeit war an der die „Schwarze Taube“ ablegen sollte. „Ogul, wie spät ist es wirklich?“ Im Kriegerprinzen keimte ein unangenehmer Verdacht auf.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 23:03

Meister Ogul

Es dauerte eine Weile bis der Kriegerprinz ein Einsehen hatte und die Waffe zurücksteckte. Anschließend nahm er wortlos die Dose mit dem Schnupftabak, gab auch die Taschenuhr anstandslos zurück. Hatte Ogul doch richtig eingeschätzt, dass der Mann ganz vernünftig war. Jedenfalls in manchen Dingen. Der alte Mann verbarg ein leichtes Schmunzeln, überreichte dem Spion dann die Schmuckdose in Form einer Brombeere. Der großgewachsene Mann betrachtete die Dose so eingehend und skeptisch wie als könne sie ihm gleich um die Ohren fliegen. Dann fragte er, ob es auch eine tiefere Bedeutung hätte und was er damit solle. Sein gutes Auge blickte Meister Ogul scharf, doch schließlich versicherte er, er würde die kleine Verwechslung nicht verraten und lächelte.
Der Dhemlaner lächelte väterlich zurück, kam ein paar kleine Schritte näher und beugte sich näher zu ihm wie als würde er ihm ein großes Geheimnis anvertrauen.
"Dies... ist eine Schmuckdose", erklärte er langsam und ausführlich, wie als hätte sein Gesprächspartner so etwas noch nie zu Gesicht bekommen. "Ihr könnt sie mit diesem Schlüssel hier dort oben öffnen." Er gab ihm noch einen kleinen Schlüssel und zeigte auf die Öffnung. "Die.. ähem Damen mögen es in solchen Dosen ihren Schmuck oder ihre kleinen Schätze aufzubewahren." Meister Ogul räusperte sich wieder, tat dann einen tiefen rauen Atemzug.
"Und außerdem befrage ich eine gute alte Freundin, eine Schwarze Witwe, über manche meiner Kunden und dann gebe ich ihnen das was sie brauchen. Meister Ogul hat für jeden etwas." Er machte eine Geste in den Laden hinein. Die weiße Katze kam behäbigen Schrittes vom Kamin herüber, strich schnurrend um die Beine des alten Dhemlaners. "Was sie dann damit anstellen ist ihre Sache." Die Katze leckte sich arrogant die Pfote, bedachte dann den Kriegerprinzen fast abschätzig und verschwand wieder in einem anderen Raum wie als wäre es nicht wert ihm weiter Beachtung zu schenken.

Vor allem da gerade einige der Uhren zu schlagen begannen, natürlich nicht alle. Das brachte seinen Kunden dazu, nach der Uhrzeit zu fragen. Auch Ogul blickte zu dem Sammelsurium an den verschiedenen Uhren. "Oh.. oh, ihr müßt los, ihr müßt euch beeilen. Das Schiff ist schon da, aber ich weiß nicht wann sie wieder von hier ablegen. Eilt euch", empfahl er dem großen Kriegerprinzen und schob ihn in Richtung Ausgang. "Fragt nach dem Kapitän der Schwarzen Taube und gebt ihm den Tabak, dann weiß er schon Bescheid und alles geht wie von selbst." Er klopfte dem Mann auf den Unterarm. "Viel Glück in Loraka. Gebt auf euch acht."
Ogul brachte den Spion bis zur Ausgangstüre, wo er seine Hand auf das Geschlossen-Schild legte. Es war der Grund warum momentan niemand von draußen einen Laden sehen würde, sondern nur eine alte Mauer aus Ziegelstein. Sein... Geschäft erforderte solche Diskretion manchmal und auch sobald der Kriegerprinz es verlassen hatte, würde nichts mehr an seinen Besuch erinnern. Solange bis Ogul wieder geöffnet hatte.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 23:03

Die Kakophonie der ungezählten Uhren die gerade jede denkbare Stunde schlugen verstummte irgendwann. Ogul wusste offenbar welche seiner Uhren mit den restlichen in Askavi übereinstimmten, und bestätigte Gualterios Befürchtung. Die Schwarze Taube konnte jeden Moment ablegen. Der alte Dhemlaner begann den grossen Kriegerprinzen tatsächlich zwischen seinem Gerümpel hindurch Richtung Ausgang zu schieben und schärfte ihm ein sich zu beeilen. Noch einmal erklärte der knorrige kleine Mann das er nach dem Kapitän fragen und ihm die Tabakdose geben sollte, dann wünschte Ogul Malateste viel Glück in Loraka und das er auf sich aufpassen sollte.
Meister Ogul bugsierte den Kriegerprinzen nach draussen.
Zorn schnaubte empört mit den Nüstern, und betrachtete Malateste anklagend, weil er ihn so lange draussen hatte warten lassen. Der Kriegerprinz drehte sich zum alten Dhemlaner um und wollte sich verabschieden, aber er starrte nur noch an eine ockerfarbene Ziegelwand. Fasziniert berührte der Kriegerprinz die massive Wand. Ein grossartiges Kunststück! Er hatt vermutet das Ogul einiges auf dem Kasten hatte, dies war die Bestätigung. Eigentlich hatte Gualterio ihn noch fragen wollen was seine schwarze Witwe über ihn zu erzählen wusste, doch diese Chance war verstrichen.

Rasch löste Gualterio die Zügel des Hengstes und schwang sich auf Zorns Rücken. Er gab ihm die Sporen und das Pferd galoppierte auf der leeren Pflastersteinstrasse los, so das die Funken unter den Hufen stoben. Der Kriegerprinz beugte sich im Sattel vor und liess das Pferd rennen. Beinahe hätte er am Ende der Strasse einen Mann über den Haufen geritten der gerade um die Ecke bog. Der Mann trug einen schwarzen Umhang und hatte zurückgeölte Haare, sein Gesichtsausdruck war verdrossen und er hatte einen stechenden, verschlagenen Blick. Für eine Sekunde kreuzten sich Malatestes Blick mit dem des Mannes als dieser fluchend zur Seite sprang. „Das war bestimmt der Raej Mann“, schoss es durch Gualterios Kopf und er lachte laut auf.

Zum Glück kannte er durch seine Vorsondierung des Gebietes den Weg zum Hafen. Verdammt, es gab einen guten Grund für einen Zeitplan. Ayden hatte ihn in Hayll mit seiner Kerkernummer aufgehalten, und er hatte die Zeit in Meister Oguls Laden vergessen. Dieser Trödelladen war so surreal, dass er in einer eigenen Dimension und Zeit zu existieren schien. Wer weiss, vielleicht traf das sogar zu? Die Erinnerung an Ogul kam ihm jetzt schon unwirklich vor. Der Kriegerprinz stob weiter halsbrecherisch durch die Stadt. Leute sprangen ihm aus dem Weg, manche furchtsam, andere reckten ihm drohend die Faust hinterher. Endlich gelangte er an den Hafen und ritt den Pier entlang. Er zog an Zorns Zügel und drosselte die Geschwindigkeit um die Namen der Schiffe lesen zu können. In beinahe endloser Reihe ankerte Segelschiff an Segelschiff und Gualterio befürchtete schon zu spät gekommen zu sein. Doch dann erblickte er die Galionsfigur einer barbusigen Frau mit verbundenen Augen die einen Arm mit nach oben gedrehter Handfläche ausstreckte, auf der eine Schwarze Taube mit gespreizten, zum Flug bereiten Flügeln sass. Malateste brauchte den Namen des Schiffes gar nicht erst zu lesen um zu wissen, dass er richtig war. Erleichtert atmete er auf und schwang sich aus dem Sattel.

Vom Pier verlief eine breite Holzplanke aufs Schiff. Die Matrosen wuselten schon alle in den Wanten herum, lösten Taue, und auch auf Deck herrschte geschäftiges Treiben. Er kam keine Minute zu früh. Bei der Planke auf dem Pier stand noch ein Mann mit Uniform und notierte sich etwas aufs Klemmbrett. Gualterio kannte sich mit Marineuniformen nicht aus, tippte aber auf den ersten oder zweiten Maat.
Dieser betrachtete den Kriegerprinzen schon mit gerunzelter Stirn. Malateste fragte sich ob er vom Kapitän eingeweiht war und nickte ihm zum Gruss zu. „Ich habe mich verspätet, wo finde ich den Kapitän, er erwartet mich. Und ich hoffe ihr habt noch Platz für ein Pferd.“ Es würde ihm Leid tun Zorn einfach so am Pier zurücklassen zu müssen. Wenn es ein Transportsegler war sollte er eigentlich auch Platz für Vieh und Pferde an Bord haben.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 23:04

Kapitän Sergio - Fara

Der erste Maat blickte den großgewachsenen Kriegerprinzen mit dem blinden Auge und dem blonden Haar an, musterte ihn von oben bis unten ehe er ausspuckte, sich nach hinten zur Planke wandte und zum Schiff hinüber nach dem Kapitän rief. "Er ist dort hinten, das müßt ihr mit ihm klären", deutete er bei den Worten zu einem kleineren dafür stämmigen wie ein Fass gebauten Mann, der mit lautem Organ über das Deck Befehle bellte, so dass man sie noch zwei Schiffe weiter hören konnte.
Kapitän Sergio, den die meisten aber ohnehin nur Käpt'n ansprachen, wartete mit den Daumen hinter den breiten Messergürtel geklemmt auf den Neuankömmling. "Wir nehmen keine Passagiere auf", polterte er beim Anblick von dem Mann und dem Schlachtross. Erst als er die Tabakdose war, brummte er etwas unverständliches und kratzte sich am breiten Nacken. "Ach, ihr seids, hätt euch gar nicht erkannt ohne Uniform", sagte er und machte eine knappe einladene Geste. "Los, kommt an Bord, euer Ross bringen wir auch noch unter, Korporal."
Sie waren spät dran und Sergio wollte endlich ablegen. "Leinen los!", brüllte er laut als auch der letzte auf der Schwarzen Taube war und die schwarzen Segel sich unter dem Wind bereits aufblähten. Nachdem das zugegeben wilde Kriegspferd des Soldaten untergebracht war, zeigte Sergio dem Mann seine Kajüte für die Überfahrt. "Wenn ihr was braucht, wendet euch nur an einen meiner Leute. Ansonsten gibts morgens und abends Essen in der kleinen Schiffsmesse." Dann mußte sich der Kapitän erstmal entschuldigen, da er noch genug zu tun hatte. Er verlor kein Wort darüber, dass der Soldat angeblich schon seit Dhemlan bei ihnen an Bord gewesen sein sollte. Seiner Meinung nach mußte man nicht darüber reden, anpacken und handeln war besser.

Die Schwarze Taube pflügte durch die leichten Wellen und bahnte sich ihren Weg in einem Bogen nach Westen zum unteren Zipfel von Raej wo Loraka lag. Als sie nach ein paar Tagen die Küste in Sicht hatte, lud Sergio den Korporal zu einem Gläschen Portwein in sein Quartier ein.
"Ich hab euch noch gar nicht gedankt... für den Tabak." Er hob das Döschen, das nun auf seinem Schreibtisch aus glänzendem Holz stand. "Ihr solltet bald eure Uniform anlegen, wir sind in einigen Stunden da." Der stämmige Mann goss ihnen in zwei Krügen den Wein ein, reichte dem Kriegerprinzen einen davon. "Hmhm, schätze, ihr könnt froh sein, dass ich euch mitnehme und nicht die Schwarzdorn." Sergio stellte seinen Krug nach einem tiefen Schluck und einem befriedigten Seufzer auf die Seekarten auf dem Schreibtisch ab. "Sions Schiff", erklärte er, "Segelt auf den Winden. Er ist vor ein paar Tagen nach Loraka aufgebrochen, aber ich weiß nicht, ob er noch dort ist. Na, ihr werdets ja sehen." Der Kapitän träufelte etwas Tabak auf seinen linken Handrücken, die Hand hatte er zur Faust geballt, und zog den Tabak langsam in die Nase ein.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 23:04

Die Tage auf hoher See verstrichen in der Routine des Schiffsalltags. Bald schon gewöhnte sich Malateste an das Anschlagen der Schiffsglocke alle Glasen, und das Geschäftige Treiben tagsüber, das nur unterbrochen wurde durch die Stille der Nacht, wenn das Wasser leise gegen die Bordwand schlug. Als Passagier musste sich der Kriegerprinz glücklicherweise nicht mit den harten Arbeiten auf einem Schiff herumschlagen. Kapitän Sergio hatte ihm erlaubt seine persönliche Bibliothek zu benutzen, also sass Malateste oft auf dem Achterdeck und vertiefte sich in ein Buch, während die Matrosen Taue spleissten, Deck schrubbten, Segel flickten und die tausend anderen Aufgaben erledigten die an Bord anfielen.
Einmal wagte es Gualterio den Grossmast hochzuklettern, vom Untermast über die Marsstenge bis hinauf zu der Bramstenge. Auch wenn er das Gefühl gehabt hatte, sich dabei nicht ungeschickt anzustellen, stand er in keinem Vergleich zu den agilen Matrosen die ihr halbes Leben in Wanten und Webeleinen verbracht hatten. In der Bramstenge angekommen klammerte sich der Kriegerprinz an den Mast und betrachtete das Treiben auf Deck. Die Matrosen an Deck waren zu kleinen Punkten geschrumpft, und der Horizont erstreckte sich gebogen so weit sein Auge reichte. Der Anblick war atemberaubend, und Gualterio konnte die Faszination verstehen die das Meer auf manche Menschen, wie zum Beispiel Alessandro, ausübte. Doch seine Welt war es nicht. Er hatte einige Zeit auf einem Schiff verbracht als er Piraten jagte, doch wurde er nie eins mit den schwankenden Planken zu seinen Füssen.
Oft besuchte er auch Zorn im vollgestopften Laderaum. Das Pferd hatte gleich seinen Unmut über die Gesamtsituation mit dem Versuch ihn zu beissen kundgetan. Zorn war kein Pferd welches es goutierte, in einem dunklen Laderaum eines schwankenden Schiffes untergebracht zu sein.

Malateste stand gerade an der Reling und studierte die Schmuckdose die Ogul ihm gegeben hatte. Er ertappte sich bei dem Gedanken ob sie Laree wohl gefallen würde, als ihn ein Matrose ansprach und ihm mitteilte, dass der Kapitän ihn zu einem Umtrunk in sein Quartier einlud. Der untersetzte, fassbäuchige Kapitän unterhielt sich oft mit seinem Passagier. Morgens und Abends ass er jeweils mit ihm, dem ersten, zweiten und dritten Offizier und dem Segelmeister in der Schiffsmesse, doch ab und an lud der Kapitän Malateste auch alleine in die Messe ein um mit ihm eine Partie Schach zu spielen, oder sich bei einem Glas Portwein in eine politische oder philosophische Diskussion zu ergehen.

Noch einmal studierte Gualterio die Küste Raejs die vor einiger Zeit am Horizont sichtbar geworden war, bevor er sich zu Kapitän Sergio aufmachte. Sie kamen Loraka immer näher, und eine leise Unruhe hatte ihn ergriffen seit die Küste in Sicht gekommen war. Bald würde er auf feindlichem Gebiet operieren.

Der Kapitän bedankte sich für den Tabak, und Gualterio war klar das mehr hinter seinen Worten steckte. Sie hatten sich nie direkt über seine Spionagetätigkeiten unterhalten, sondern waren nur in Andeutungen ergangen. Der Kapitän riet ihm bald seine Uniform anzuziehen, sie würden in einigen Stunden anlegen. Malateste war sich dies bewusst, er wollte einfach den Moment heraus zögern bis er die Farben des Feindes anzog. Nach einem tiefen Schluck Wein aus dem Krug erzählte ihm Sergio von der Schwarzdorn, Sions Schiff, welches auf den Winden segelte. Der Kriegerprinz war fasziniert von der Vorstellung ein ganzes Schiff in den Winden segeln zu lassen und beeindruckt von der Kraft die hinter so einem Akt stecken musste. Dann eröffnete ihm der Kapitän das Sion mit der Schwarzdorn vor einigen Tagen nach Loraka aufgebrochen sei und der nicht wisse, ob er noch dort wäre.
Malateste führte dabei gerade seinen Krug zum Mund und hielt einen kuzen Augenblick inne bevor auch er einen Schluck nahm. Dieses kurze Zögern war das einzige Zeichen welches einem aufmerksamen Beobachter hätte verraten können das ihn diese Nachricht traf. Sion war vielleicht in Loraka? Zur Hölle! Hatte Ayden davon gewusst? Das würde bedeuten das Loraka noch schärfer bewacht wurde, das es von noch mehr Soldaten wimmelte und die Abläufe in der Armee penibel eingehalten würde. Aber andererseits würde es vielleicht nicht weiter auffallen, da bestimmt viele neue Soldaten aus Dhemlan eintrafen. Er konnte nur hoffen, dass seine Überführungspapiere nicht veraltet waren und einer aufmerksamen Prüfung stand hielten. Er hasste es, aber er musste Asars Vorarbeit vertrauen.
Gualterio beobachtete wie Sergio den Tabak schnupfte und antworte dem Kapitän.
„Die Schwarzdorn? Interessant, ich habe mich immer gefragt wie es Sion gelingt sie durch die Winde zu segeln.“ Malateste stellte den Krug auf den Tisch „Aber das Sion Loraka persönlich einen Besuch abstattet kommt überraschend. Möchte er sich wohl mit Lady Magyarosa treffen? Habt ihr diesbezüglich irgendwelche Gerüchte gehört, Kapitän Sergio?“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 23:05

Kapitän Sergio

Der Kapitän konnte nur am kurzen Zögern des anderen Mannes sehen bevor er trank, dass ihn die Nachricht mit Sion unerwartet traf. Er konnte sich vorstellen, dass das die vor ihm liegende Arbeit nicht unbedingt angenehmer, sondern nur noch gefährlicher machen würde. Sergio fragte sich, ob er den Kriegerprinzen je wieder sehen würde, vermutlich nicht. Aber seine eigene Aufgabe war getan damit, dass er den Mann in Loraka ablieferte, ebenso den Vorrat. Danach würde die Schwarze Taube zurück nach Dhemlan segeln. Der Korporal fragte nach der Schwarzdorn und wie Sion wohl vermochte sie durch die Winde zu segeln.
"Das weiß niemand so genau, es gehen allerhand Gerüchte herum. Manche munkeln sogar, das Schiff hätte eine lebende Seele", erklärte Sergio und lehnte sich behäbig in seinem gepolsterten Lehnstuhl zurück. Es gab viel Seemannsgarn über die Schwarzdorn, aber wer sie je gesehen hatte, konnte es verstehen. Dann schob er dem blonden Kriegerprinzen die Tabakdose hinüber. "Bedient euch falls ihr wollt", bot er freundlich an. Der Korporal stellte noch mehr Fragen, warum Sion genau in Loraka war.
"Ich weiß es nicht genau, es heißt, um den Stützpunkt zu inspizieren. Vermutlich trifft er sich auch mit der Königin", antwortete der Kapitän und trank noch etwas Portwein. "Die Gerüchte besagen außerdem, er hätte seine Gefährtin dabei. Sie verlässt sonst nie Dhemlan." Weitere Nachfragen wehrte Sergio aber rasch ab, dass er nicht mehr wüßte, er wollte auch nicht zu viel sagen, es war gefährlich manchen Gerüchten zu viel Glauben zu schenken.

Da sie der Küste immer näher kamen, wurde nun auch der Käpt'n wieder an Deck gebraucht und er entschuldigte sich bei dem Kriegerprinzen, der sich ja selbst für die Ankunft vorbereiten mußte. Während das Schiff durch den Ozean pflügte, erkannte man immer mehr Details in der Ferne. Doch es dauerte noch ein gutes Stück bis sich die ersten Häuserumrisse aus einem morgendlichen Nebel schälten. Mit einem Fernrohr beobachtete Sergio die Küstenlinie von Loraka.
"Die Schwarzdorn ist noch vor Anker. Seht selbst", sagte er dem Kriegerprinzen, der in neuer Montur an Deck gekommen war. Sergio reichte ihm das Fernglas, dann brüllte er wieder Befehle übers Schiff und packte selbst tatkräftig mit an. Durch das Fernglas konnte man die anderen Schiffe im Hafen liegen sehen. Ein schwarzes Vollschiff stach aufgrund seiner Größe und Art heraus, nur langsam lichtete sich darum der Nebel, ein Rest blieb immer bestehen so dass man nie einen vollständigen Blick auf die Schwarzdorn bekam. Doch sie besaß drei rahgetakelte Masten mit schwarzgrauen alten Segeln. Verborgen vom Wasser besaß die Schwarzdorn ihren namensgebenden Rammbock. Auffallend waren die vielen kleinen aus dem Holz geschnitzten Gargoylfiguren, die das Schiff besonders am Heck verzierten. Der Nebel floss wie seidender Rauch zwischen den Figuren entlang wie als wolle als atmeten sie aus ihren hunderten von Mündern.
Je näher sie der Hafenstadt kamen, desto auffälliger waren auch die großen schwarz-roten Flaggen, die im Wind knatterten und davon zeugten, dass Loraka tatsächlich vollständig in der Hand der dhemlanischen Armee befand. Mehrere Soldaten waren auch jetzt am Hafen zu erkennen, als die Schwarze Taube langsam anlegte, die Segel gerefft wurden und rasch die Taue über die Reling geworfen wurden, um das Schiff an den Pollern zu vertäuen. Drei Matrosen versuchten das Schlachtross über die Planke zu bringen. Sergio trat noch einmal zu dem Kriegerprinzen.
"Das Fort befindet sich außerhalb der Stadt auf dem kleinen Hügel dort. Nicht zu verfehlen", erklärte er und deutete die Straßen entlang. "Gute Reise", wünschte er dem Mann noch. Loraka war einst ein typisches Fischerdorf gewesen, was hauptsächlich vom Fisch- und Krebsfang gelebt hatte, doch die Anwesenheit der vielen Soldaten hatten rasch noch andere Gestalten angelockt und Loraka war gewachsen. Es gab mehr Hafenkneipen, Bordelle, aber auch Schmieden und Kaufleute, die mit allem von Pferden bis Sklaven handelten, hatten sich angesiedelt. Dennoch erinnerten die Galgen und einige herabhängende Käfige mit verwesenden Leichen daran, dass hier vor kurzem noch angebliche Rebellen und Widerständler zu Dutzenden getötet oder versklavt worden waren bis Loraka komplett vereinnahmt gewesen war.
Auf dem Kai war viel los, Waren wurden von den verschiedenen Schiffen abgeladen, Matrosen trugen Kisten herum oder rollten Fässer vor sich her. Wagen wurden beladen. Bordsteinschwalben flanierten in der Nähe der üblichen Spelunken. In der Nähe hörte man vom Fischmarkt das Rufen und Feilschen der Fischweiber.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 23:06

Langsam näherte sich die schwarze Taube Loraka. Malateste stand neben Kapitän Sergio und stützte sich auf der Reling ab. Der Kriegerprinz trug inzwischen die Uniform eines dhemlanischen Korporals. Er hatte dafür gesorgt sie gebraucht aussehen zu lassen, an ein paar Stellen war der mattschwarze Stoff aufgescheuert, oder hatte speckig glänzende Stellen. Das Wams mit der Hydra darauf hatte weite Ärmel die bis Mitte der Oberarme reichten, ideal um darunter noch den Ringpanzer zu tragen der unter den Wamsärmeln hervor blitzte und bis zu den Ellbogen reichte. Gualterio hatte sich auch entschlossen seine eigenen Waffen und den Helm zu tragen. Nichts war auffälliger als ein Soldat im Korporalsrang der bis ins letzte Detail die vorgeschriebene Ausrüstung mit sich führte. Nur grüne Rekruten trugen neue Uniformen und die Waffe welche am Anfang ausgegeben wurde. Ein Soldat der länger diente, modifizierte seine Ausstattung durch Beutestücke, oder durch Rüstungsteile und Waffen die er sich auf eigene Kosten gekauft hatte.

Der Kapitän hatte durch ein Fernrohr das näher kommende Loraka betrachtet und reichte es nun an Malateste weiter. Sergio machte ihn darauf aufmerksam, dass die „Schwarzdorn“ tatsächlich vor Anker lag. Gualterio nahm das Fernrohr entgegen und blickte durch. Nachdem er die Schärfe reguliert hatte, schien die Hafenstadt zum Greifen nahe. Er brauchte nicht lange zu suchen um die „Schwarzdorn“ zu finden. Das Schiff war ein zum Leben erweckter Alptraun. Schwarz und riesig überragte es alle anderen Schiffe im Hafen. Sions Schiff konnte nie in Gänze erblickt werden, da es von ständigem Nebel umwabert wurde. Nun konnte er einen kurzen Blick auf die Heckaufbauten erhaschen. Sie war übersät mit monströsen, geschnitzten Gargoylen die beinahe lebendig und den Rauch zu atmen schienen. Der Anblick war beeindruckend, trotzdem schwenkte Malateste das Fernrohr herum, da er von der Seeseite her einen guten Gesamteinblick auf Loraka bekam. Er konnte erkennen, dass die Hafenstadt in kurzer Zeit gewachsen war, provisorische Bauten schossen aus dem Boden und überall wurde gebaut. Zufrieden mit dem Gesehenen schob der dhemlanische Korporal das Fernrohr zusammen und reichte es dem Kapitän zurück.

Bald schon brauchte er kein Fernrohr mehr um Details zu erkennen. Nachdem die schwarze Taube die Hafeneinfahrt durchquert hatte, kam eine Barkasse der Hafenmeisterei und preite sie an. Die Frachtpapiere der „schwarzen Taube“ wurden überprüft, und anschliessend lotste die Barkasse Kapitän Sergios Schiff zur Anlegestelle. Der Frachtsegler legte an und wurde in Windeseile mit geübten Handgriffen vertäut. Die Segel waren kaum gerefft, als auch schon begonnen wurde das Schiff zu entladen. Ein wütendes Wiehern erregte Aufmerksamkeit als drei Matrosen mit einigen Mühen sein gesatteltes Pferd aus dem Laderaum zogen und schoben.
Der Kapitän trat an Malatestes Seite und beobachtete wie Zorn über die Planken an Land gebracht wurde. „Das Fort befindet sich außerhalb der Stadt auf dem kleinen Hügel dort. Nicht zu verfehlen", erklärte ihm Sergio und wünschte ihm eine gute Reise. Gualterio schüttelte die Hand des stämmigen Kapitäns.
„Euch auch eine gute Reise Kapitän, und immer genug Wasser unter dem Kiel. Danke für alles.“ Korporal Jason drehte sich ohne umzublicken um und verliess das Schiff. An Land angekommen tätschelte er Zorns Hals und besänftigte ihn mit einem Stück Zucker. Dann schob er das Langschwert in den Schlitz im Sattel und schwang sich auf den Rücken des Schlachtrosses. Langsam ritt er auf Zorn am Pier entlang. Er wollte noch einmal die Schwarzdorn von Nahem sehen. Leichter Verwesungsgeruch hing in der Luft. In regelmässigen Abständen entalng des Kais waren in Käfigen vermodernde Leichen aufgehängt. Der Kriegerprinz wusste, dass er jederzeit so enden konnte wenn er nicht vorsichtig war und seine Rolle glaubwürdig bis ins letzte Detail verkörperte.

Die Schwarzdorn sah von Nahem noch Respekt einflössender aus als durch das Fernrohr. Mächtig ragte sie über ihm auf als er gemächlich an ihr vorbeiritt. Gualterio hielt nicht an, sondern lenkte Zorn daran vorbei, Anhalten und Starren wäre zu auffällig. Die dunkle Aura des Schiffes ging unter die Haut und Malateste spürte wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Von Nahem glaubte er beinahe Sergios Mär das die Schwarzdorn eine Seele hatte.
Er liess die Nebelumwölkte Perversion eines Schiffes hinter sich und ritt auf den Stadtrand zu. Hier irgendwo war Sion persönlich, vielleicht sogar auf dem Schiff, vielleicht war er eben nur wenige Meter an der grössten Bedrohung Haylls seit Menschengedenken vorübergeritten. Der Kapitän hatte ihm von einem Gerücht erzählt das Sion seine Gefährtin mitgebracht hätte. Gualterio fragte sich wie verkommen und abgrundtief böse eine Frau sein musste, um die Gefährtin eines solchen Scheusals zu werden. Er hatte vor mehr darüber herauszufinden, er würde jegliche Informationen sammeln die er bekommen konnte.

Eine Gruppe Soldaten patroullierte an ihm vorbei als eine Strassenhure den Kriegerprinzen auf dem Pferd ansprach. „Na Süsser, Lust auf eine schnelle Nummer? Was willst du immer nur auf einem Pferd reiten?“ Gualterio spürte wie die Soldaten die Szene beobachteten. Er schob das Süssholz auf dem er kaute von einem Mundwinkel zum anderen und musterte die Hure abschätzig. An ihrem linken Mundwinkel hatte sie kleine Bläschen die auf Syphilis im fortgeschrittenen Stadium hindeuteten. Die Soldatenkrankheit nannte man es oft auch.
„Wenn ich mal wegen einer Geschlechtskrankheit vom Dienst suspendiert werden möchte komme ich auf dich zurück.“ Er trat ihr mit dem schweren Reitstiefel vor die Brust, so das die Nutte mit einem Aufschrei hart auf dem Hintern landeten. Die Soldaten lachten auf und verspotteten die Hure, die mit gerafften, zerschliessenen Röcken das Weite suchte.
Der Kopf des Korporals ruckte herum und Malateste tat so als ob er die Soldaten erst jetzt bemerkte. Das gesunde Auge blitzte auf, die obere Hälfte des Gesichts war im Schatten verborgen den das hochgeschobene Helmvisier warf. „Soldat, Name und Einheit!“ Er spuckte das Süssholz aus und mit donnernder Stimme deutete Korporal Bonderus auf den Soldaten der ihm spontan als der schwächste der Gruppe erschien. Das Gelächter erstarb und die vier Soldaten nahmen augenblicklich Haltung an.
„Soldat Nardek, Korporal, zweite Kompanie, Station Loraka, Korporal!“ Zorn warf schnaubend und theatralisch den Kopf zurück und rollte mit den Augen, der Kriegerprinz liess mehrere Sekunden den Blick nicht von Nardek dem es sichtlich ungemütlich wurde.
„Du führst mich zum Fort, Nardek. Ich bin Korporal Bonderus, aus Dhemlan nach Loraka versetzt und ich werde unter mir keinen Sauhaufen dulden, verstanden.“ Gualterio beugte sich drohend im Sattel des Schlachtrosses vor und deutete auf die restlichen drei. „Ihr da, weitermachen!“
„Jawohl, Korporal!“, brüllte einer, salutierte und gab dann mit seinen Kameraden Fersengeld. Nardek stand immer noch stramm und betrachtete konzentriert einen Punkt am Horizont.
„Verdammt Soldat, bring mich zum Fort und zur Registrationsstelle, heute noch.“ Er hatte vor auf dem Weg Nardek zu löchern über die Kommandatin, das Fort und die Anzahl der stationierten Soldaten.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 23:07

Gefreiter Nardek - Fara

Er war gerade mit drei anderen Gefreiten auf Patrouille im Hafengebiet, als er einen anderen Soldaten auf einem hohen Schlachtross gewahr wurde. Er trug eine etwas abgetragene Uniform und nach den Schulterklappen zu Urteilen war er ein Korporal. Jedoch war Nardek nicht der erste, der ihn ansprach, denn eine der Hafenhuren kam auf den Reiter zu und machte ihm ein eindeutiges Angebot. Was der blonde Kriegerprinz jedoch eindeutig ablehnte und die Hure mit seinem Stiefel so heftig gegen die Brust trat, dass sie im Rinnstein landete.
Nardek grinste link, auch seine Kameraden lachten und machten abfällige Scherze über die Hure. Seit sie in Loraka stationiert waren, hatte sich schon allerlei Dreck in der Stadt angesammelt, angeschwemmt wie Treibholz am Strand. Der fremde Korporal hatte ihn jetzt auch bemerkt, seine Statur war schon beeindruckend und Nardek spürte auch die dunklen Juwelen, dunkler als seine. Zudem war der Mann ein Kriegerprinz und das hieß schon etwas in Sions Armee. Was machte er außerhalb von Dhemlan? Der Fremde musterte ihn, trotz des im Schatten liegenden Gesichts konnte man die Narben und das blinde Auge erkennen. Er mußte schon ein Veteran sein, einige Jahre Erfahrung auf dem Buckel. Außerdem wirkte er nicht so als hätte er gerade einen freundlichen Tag.
So fuhr ihn der Soldat auch prompt an, befahl ihm laut er solle sich vorstellen. Nardek war zunächst einmal viel zu verwirrt um sofort zu reagieren, aber er fing sich rasch, stand stramm und nannte seinen Namen und in welcher Kompanie er stationiert war. Da gab es in Loraka sowieso nur zwei zur Auswahl. Warum hatte Nardek bloß hergeschaut, er hätte rasch weitergehen sollen, doch nun hatte ihn der Korporal auserkoren ihn zum Fort zu führen, er wäre versetzt worden.

Der Schnellste war er noch nie gewesen und so stand er erstmal weiter gerade wie ein Brett bis Korporal Bonderus ihn anfuhr, er solle ihn endlich zum Fort bringen, heute nach. Nardek zuckte zusammen, salutierte noch einmal und sah mit einem wehmütigen Blick zu seinen Freunden, die alleine weiterzocken.
"Jawohl, Sir." Der Soldat setzte sich in Bewegung und schritt neben dem Pferd her. Als sie sich auf dem Weg befanden, der zum Fort führte, das gleich in der Nähe der Stadt war, begann ihn der Korporal zu fragen wieviel Mannstärke das Fort besaß. "Zweihundert Mann können dort untergebracht werden und fünfzig sind nochmal gleich in Loraka in der Kaserne", antwortete Nardek so gut er es wußte, die genauen Zahlen kannte er natürlich nicht. "Aber es heißt, sie wollen woanders noch ein Fort bauen, mehr in der Nähe zur Hauptstadt der Provinz", fügte er hinzu. Dann erkundigte sich der Kriegerprinz auch nach der Kommandeurin.
"Ihr meint Cal Frostseel, Sir?" Klar, wen sollte er sonst meinen. Nardek wischte sich die schwitzigen Hände an der Hose ab. Der Mann machte ihn halt nervös mit diesem stieren Blick aus einem Augen. "Die Kommandeurin ist zurzeit in Zamora, Sir." Jedenfalls hatte es geheißen, sie würden zur Königin Magyarosa aufbrechen und normalerweise war sie in der Hauptstadt ihrer Provinz Mérida. "Zusammen mit Kommandeur Karssail und... ähm natürlich Sion." Er verschluckte sich fast an dem letzten Namen. "Hauptmann Orekh hat momentan das Kommando. Ich bringe euch am besten zu ihm", überlegte er mehr für sich selbst.
Sie gingen beziehungsweise ritten über den erst vor kurzem angelegten Feldweg, der schon ganz ausgetreten war und zum Fort führte. Man sah bereits die Holzpalisaden, die man für den Stützpunkt errichtet hatte. Über die Palisaden hinaus sah man nur ein Steinhaus aus dessen Kamine Rauchfahnen stiegen. "Das ist ein alter Gutshof gewesen, Sir", erklärte Nardek, "Aber ich bin erst später hier angekommen, als man ihn schon für die Offiziere genutzt hat."
Sie kamen zum Tor zu dessen beiden Seiten Wachtürme standen, die Fahnen wehten hoch und einige Männer blickten mißtrauisch auf sie herab, doch die Tore waren geöffnet und sie konnten einfach passieren. Im Inneren erkannte man, dass es außer dem Steinhaus sonst nur neu errichtete Scheunen und Lagerhütten aus Holz gab sowie viele aufgestellte Mannschaftszelte und zweckmäßige Barracken. Planken führten von einem zum anderen, da die Erde schonmal recht schlammig werden konnte wenn es geregnet hatte. Momentan war aber alles trocken.
"Da hinten ist der Stall, Korporal. Für euer Pferd", fügte er erklärend hinzu. Im Stützpunkt selbst herrschte geschäftiges Treiben, einige trainierten miteinander, andere halfen beim Errichten von einem weiteren Haus, andere patrouillierten auf den Wehrgängen. Nachdem sie das Schlachtross ersteinmal der Obhut des Stallmeisters überlassen hatten, führte Nardek den Mann zu dem größeren Steinhaus. Einige neugierige Blicke folgten ihnen, Nardek wich all jenen aus, die zur sechsten Kompanie gehörten. Die Uniformen waren gleich, wenn die meisten der 6ten sich nicht wirklich an alle Kleidervorschriften hielt, aber die Blicke so kalt und düster.
Vor der Türe des Zimmers des Hauptmannes standen zwei Männer Wache. Nardek salutierte rasch.
"Ich bringe hier Korporal Bonderus, er ist aus Dhemlan hierher versetzt worden", erklärte er eifrig. Einer der muskulösen Männer blickte ihn nur distanziert an, musterte dann den Neuankömmling und salutierte zackig.
"Hauptmann Orekh ist beschäftigt", schnarrte der Mann. "Kommt später wieder."
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 23:08

Der Gefreite entpuppte sich als wahre Goldgrube. Die Situation war ihm merklich unangenehm, also redete Nardek wie ein Wasserfall und der Reiter musste nur ab und an eine Zwischenfrage stellen. Der Soldat schätzte Sions Truppe hier auf 250 Mann ein. Natürlich genoss Malateste diese Zahl mit Vorsicht, aber es reichte für eine Einschätzung. Sion plante offensichtlich keine Invasion, oder nicht im Moment. Die Grösse der Garnison deutete eher darauf hin, dass Dhemlan Präsenz markieren wollte. Wobei die Information über ein zweites Fort in der Nähe der Hauptstadt sehr interessant war. Sion hatte dann seine Leute schon an zwei strategisch günstigen Stellen postiert. Vielleicht umgarnte er langsam Magyarosa, bot ihr Hilfe an, und ehe sie sich versah, hatte Sion hier alles unter Kontrolle.
Malatestes angehende Kommandantin, Cal Frostseel, weilte zurzeit in Zamora, zusammen mit Sion und einem gewissen Kommandeur Karssail. Gualterio hätte gerne nachgefragt wer Karssail war, doch vielleicht ging Nardek davon aus das er es wusste. Nichtwissen könnte in diesem Falle unnötigen Verdacht erwecken. Ihm war auch nicht entgangen wie der Gefreite bei Sions Erwähnung gezögert hatte, seine Männer fürchteten ihn also auch. Die Situation war vermutlich für Malatestes Zwecke förderlich, durch die Abwesenheit der Kommandantin könnte der militärische Alltag im Fort etwas lockerer gehandhabt werden, was es ihm vereinfachen würde sich zu integrieren. Wenn Frostseel dann zurück kehrte, könnte er schon fest ins Gefüge integriert sein und nicht weiter auffallen. Vermutlich hatte sie sowieso Wichtigeres zu tun als sich Gedanken über einen neuen Korporal zu machen, einen ziemlich niederen Unteroffiziersrang.

Begleitet vom Gefreiten Nardek ritt Gualterio in das Fort ein. Hohe Palisaden mit hölzernen Wachtürmen umschlossen das Fort. Wie er erwartet hatte, war es ein funktionales Provisorium. Sions Garnison in Loraka war um einen Gutshof herum aufgebaut worden. Übliche Vorgehensweise. Die ehemaligen Besitzer wurden vermutlich enteignet oder gleich umgebracht. Nun fungierte das steinerne Hauptgebäude bestimmt als Zentrale und würde auch die Unterkünfte der Kommandeurin und der hochrangigen Offiziere beherbergen. Rund um den ehemaligen Gutshof waren Barracken aufgebaut worden, die grosse Scheune gehörte dem Aussehen und Alter nach zum Gutshof. In strenger Geometrie standen Zelte in langen Reihen nebeneinander, zwischendrin verliefen mit Planken ausgelegte Trampelpfade. Als Korporal würde er vermutlich bei seinen Männern in einem Mannschaftszelt einquartiert werden, je nachdem wie ausgelastet die Garnison war.

Nardek wies ihm den Weg zu den Stallungen hinter dem Gutshof. Nachdem Zorn versorgt war wollte ihn der Gefreite zum stellvertretenden Kommandeur führen, einem gewissen Orekh. Malateste hatte sein Schwert zu Anderthalbhand lässig in der Scheide über die Schulter gelegt und schritt hinter Nardek her. Ihm entging nicht das der Gefreite einigen der Soldaten aus dem Weg ging. Interessant. Aufmerksam beobachtete Gualterio das weitere Treiben im Lager. Auch wenn es die Armee des Feindes war, auf eine abstruse Art und Weise fühlte er sich beinahe heimisch. Der Grossteil der anwesenden Soldaten bestand aus Männern, aber er konnte auch einige Frauen erkennen, und diese führten genau dieselben Pflichten aus wie die Männer, in der Armee gab es keinen Geschlechterunterschied.

Wie zu erwarten brachte ihn der Gefreite zum Steinhaus in der Mitte. Die Vorderseite des ehemaligen Gutshofs wurde auf der ganzen Länge von einer hölzernen Veranda verziert in deren Mitte eine kurze Treppe zur breiten Eingangstür verlief. Diese führte in einen grossen, rustikal-gemütlichen Hauptraum. An der linken Wand führte eine Holztreppe hoch zu den oberen Räumlichkeiten, ein grosser Kamin war in der hinteren Wand eingelassen. Im Raum stand zentral ein Kartentisch und einige Sessel und Stühle waren an den Wänden verteilt. Offenbar wurde dieser Raum für verschiedenste Zwecke genutzt, sei es Planung oder Aufenthalt für die Offiziere. Gualterio hatte nicht viel Zeit alles genau zu betrachten, Nardek lotste ihn unverzüglich durch eine Seitentüre aus dem Hauptraum in einen kurzen Gang, an dessen Ende zwei Wachen vor einer weiteren Tür standen. Grosse, grimmige Soldaten. Genau die Type Krieger, die von Offizieren gerne als Leibwache ausgewählt wurden, grimmig aussehend, pflichtbewusst, skrupellos. Nardek salutierte.
"Ich bringe hier Korporal Bonderus, er ist aus Dhemlan hierher versetzt worden." Der Gefreite legte einen auffallenden Diensteifer an den Tag. Malateste musste sich ein Grinsen verkneifen, für einen einfachen Soldaten gab es nichts Schlimmeres als die Aufmerksamkeit eines Ranghöheren auf sich zu ziehen. Der Gefreite bemühte sich redlich einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die angesprochene Wache hingegen betrachtete Nardek gelangweilt, salutierte dann aber vor dem Korporal. Malateste erwiderte kurz den Salut.
"Hauptmann Orekh ist beschäftigt", meinte der Wachsoldat mit schnarrender Stimme zu Malateste und ignorierte Nardek weiterhin geflissentlich. "Kommt später wieder.“
„Gut, werde ich“, antwortete Malateste knapp. „Ich mache mich inzwischen mit der Lokalität vertraut.“ Der Kriegerprinz gab Nardek einen kurzen Stoss zwischen die Schulterblätter als Zeichen zum Aufbruch. Auf der Veranda hielt der Korporal inne und liess seinen Blick über das Fort schweifen.
„Nardek, mir ist nicht entgangen das du einigen der Soldaten aus dem Weg gegangen bist.“ Malateste zog den Helm aus und klemmte ihn sich unter den Arm, dann bohrte sich sein Blick auf den Gefreiten, sogar das milchigweisse Auge schien ihn anzustarren. „Persönliche Differenzen oder ist da etwas anderes?“ Der Korporal war gnädig, wandte den Blick ab und beobachtete nun eine Guppe Soldaten bei Waffenübungen. „Wen lohnt es sich hier zu kennen? Wen sollte man kennen und wen sollte man meiden?“ Gualterio lächelte dünn und die lange Narbe spannte sich dabei.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Sa 19. Aug 2023, 23:08

Nardek

Nardek wagte nicht sich einzumischen, als der Soldat an der Türe das Gesuch erstmal ablehnte. Der neue Korporal meinte nur kurz angebunden, er würde später wiederkommen und sich erstmal das Fort ansehen. Da befürchtete der Gefreite schon, dass er Bonderus herumführen müßte was ihm eigentlich gar nicht so sehr passte. Die Blicke des Mannes machten ihn weiter nervös. Jener gab ihm einen Schubs in den Rücken, Nardek stolperte nach vorne, setzte sich dann aber schnell in Bewegung und verließ mit dem ranghöheren Soldaten das Haus. Auf der Veranda blieben sie stehen, der Kriegerprinz blickte sich um, zog den Helm aus und offenbarte so noch mehr von seinem blondem Haar ehe er Nardek abrupt anstarrte und ihn fragte warum er manchen der anderen Soldaten aus dem Weg ging.
Der Gefreite schluckte leicht. Verdammt, wie hatte der Mann das nur bemerkt? Anderseits war es ja auch nichts besonderes. "Naja, Sir, die zweite bleibt lieber unter sich. Man kennt ja die Gerüchte über die sechste, die Salzmänner, und vieles ist wahr. Leider sind sie jetzt auch in Loraka stationiert, sie haben größtenteils das Fort aufgebaut", erklärte er nun doch, lockerte nervös den Kragen an seiner Uniform. "Aber trotzdem... man kann sie in so viele Uniformen stecken wie man will, sie bleiben immer noch Verbrecher." Er dämpfte seinen Tonfall lieber. "Es ist nichts persönliches, Sir." Seiner Meinung nach hätte Sion diese Männer und Frauen niemals begnadigen sollten, selbst wenn sie gute Kämpfer waren und zäh. Dafür erledigten sie manches Mal die Drecksarbeit.
Er ging etwas von der Veranda, denn hier waren ihm immer zu viele Offiziere und wer wußte schon wer zuhörte. Nardek mußte vorsichtig sein, damit er nichts falsches sagte. Der Korporal kam immerhin direkt aus Dhemlan, da ging es härter zu als hier. Hatte er jedenfalls gehört, doch selbst wagte er nicht Fragen an den Korporal zu stellen. Zum Beispiel was ein Kriegerprinz hier suchte. Noch einer.

Bonderus fragte ihn, wen es im Fort lohnte zu kennen und wen man lieber meiden sollte. "Also wenn ihr irgendwas braucht, Zigarretten, guten Fusel, dann müßt ihr Obergefreiten Brion fragen, der kann einem viel besorgen", erklärte er, stockte dann aber, "Nicht dass wir hier außerhalb des Dienstes trinken würden", fügte Nardek rasch hinzu, um auf der sicheren Seite zu sein. "Einige Offiziere sind nicht da, es sind ein paar woanders stationiert, an Knotenpunkten der Winden oder sie ziehen durchs Land und rekrutieren neue. Dann gibts noch Feldwebel Lorcann, er ist zusammen mit seiner Gefährtin Maeve hier, sie ist eine unserer besten Heilerinnen. Also wenn ihr Heilung braucht... aber falsch ansehen darf man sie nicht."
Nardek zeigte dem Korporal das Waffen- und Ausrüstungslager, es bestand aus einer der Scheunen, wo man noch einen Keller gegraben hatte bzw. die aus der sechsten Kompanie hatten ihn gegraben. In dem Moment kamen sie auch an einem Trainingsplatz vorbei, wo der einzige andere Kriegerprinz des Forts zugegen war. Der Mann trug nur die schwarze Uniformshose so dass man viel von dem agilen starken Körper erkennen konnte, Muskeln zeichneten sich unter der straff gespannten Haut ab. Sie war mit einem leichten hellbraunen Flaum bedeckt, er besaß auch eine dichtere Brustbehaarung und an der Taille, am Rücken und an der Seite der Oberarme war der kurze Flaum dichter gefärbt, wie Streifen bei einem Tigerfell. Er besaß ein wenig gespitzte Ohren, Krallen an den Händen und eine salzweiße Mähne.
"Den ähm solltet ihr meiden", bemerkte Nardek leise genau in dem Moment wo der Kriegerprinz in einer katzengleichen raschen Bewegung seinem Gegner auswich nur um ihn danach mit einem kräftigen Schlag zu Boden zu schicken. Am Rande des Platzes standen noch weitere Gestalten, die Nardeks Meinung nach nicht die Bezeichnung Soldaten verdienten, viele trugen einen kleinen Talismanbeutel um den Hals. Es war eine kleine schmächtige Heilerin mit schmutzigbraunen Haaren dabei, ein dunkelhäutiger hagerer Mann, ein weiterer, dessen Gesicht und Arme von pockigen Narben zerfressen waren, ein anderer hatte einen schwarzen Stoffstreifen übers Gesicht gebunden wo sein linkes Auge gewesen war. Der Ausdruck in ihren Augen war jedoch überall gleich, entschlossen und alt.
"Die sind alle von der sechsten... Verbrecher aus den Salzminen", flüsterte Nardek. Er wollte rasch weitergehen. Ohne Kommandeur Karssail im Fort hatte er das Gefühl, dass niemand mehr da wäre, um die andere Kompanie zur Ordnung zu rufen. "Wenn ihr wollt, stell ich euch ein paar aus der zweiten vor", schlug der Gefreite vor.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Sa 19. Aug 2023, 23:09

Erst war Nardeks Antwort etwas verwirrend für Malateste, vor allem da er so tun musste als ob er verstünde wovon der Gefreite sprach. Salzmänner? Diese gehörten einer weiteren Kompanie an, der Sechsten. Und die beiden Kompanien blieben unter sich, wie Gualterio Nardeks Worten zu vernehmen glaubte. Dies war jedoch nichts Ungewöhnliches. Ein Soldat identifizierte sich mit seiner Truppe, und Konkurrenzdenken unter Kompanien waren nicht unüblich. Was den Kriegerprinz aber hellhörig werden liess, war die Aussage des Gefreiten, dass die sechste trotz Uniform aus Verbrechern bestand. Der Soldat sprach nun leise und verschwörerisch und lotste Malateste von der Veranda weg, es war offensichtlich, dass dies nicht jedermann zu hören bekommen sollte. Der falsche Korporal hatte beinahe den Eindruck als ob Nardek ihn schon als Mitglied der Zweiten betrachtete.

Während der Soldat ihn durchs Lager führte begann er einige der Truppenangehörigen aufzuzählen die sich irgendwie einen Namen gemacht hatten. An erster Stelle kam ein gewisser Brion, der notorische Schmuggler. Es gab Soldaten die alles besorgen konnte offensichtlich in jeder Armee, und solange sie es nicht zu bunt trieben, drückten die hochrangigen Offiziere meist ein Auge zu. Des Weiteren war da noch ein Feldweibel mit seiner Gefährtin, einer Heilerin, der wohl ein kleines Eifersuchtsproblem hatte. Interessant war auch zu hören, dass viele der Offiziere zurzeit unterwegs waren, er bekam den Eindruck eines Forts das gerade mit der Minimalbesatzung an Offizieren bestückt war. Dafür war die Disziplin überraschend hoch. Wobei Malateste sich eingestehen musste, erst eine halbe Stunde hier zu sein und gerade mal einen Soldaten kennen gelernt zu haben. Doch dieser vermittelte ihm ein ziemlich gutes Bild der Strukturen im Fort.Inzwischen besichtigten sie die Scheune. Darin war ein Keller ausgehoben worden der verschiedene Güter kühl lagerte, doch fungierte die Scheune gleichzeitig auch als gut ausgestattetes Waffen- und Rüstlager. Malateste prägte sich alles genauestens ein. Er hatte vor, das Fort blind bis auf den letzten Zelthering zu kennen. Der Korporal und der Gefreite verliessen die Scheune wieder und bogen um die Ecke.

Unwillkürlich blieb Gualterios Blick an der Szene hängen, die sich eben auf einem mit Sägemehl ausgelegten Übungsplatz abspielte. Die Signatur eines Kriegerprinzen war unverkennbar, und Malatestes Blut begann unwillkürlich schneller durch die Adern zu pumpen. Nardek redete leise weiter, meinte das dies einer von denen war die er meiden sollte. Gualterio hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Gebannt beobachtete er den Kriegerprinzen, dieser war ein faszinierender Anblick. Mit spitzen Ohren und einer Körperbehaarung die beinahe einem Fell gleich kam, und einer dichten, schlohweißen Mähne. Sein Körper war geschmeidig und gestählt ohne eine Unze Fett zuviel. Ein De al Mon? Dessen Sparingspartner hatte nicht den Hauch einer Chance, bewegte sich im Gegensatz zum Kriegerprinzen beinahe träge und landete nach einem schweren Treffer bewusstlos im Sägemehl. Die Beobachter am Sägemehlrand schienen auch aus zähem Holz geschnitzt zu sein. Sie hatten allesamt Gezeichnete, vernarbte Gesichter und einen Blick der verriet, dass sie einiges durchgemacht hatten.
"Die sind alle von der sechsten... Verbrecher aus den Salzminen", flüsterte Nardek ihm leise zu. Langsam konnte sich Malateste ein Bild der sechsten Kompanie machen. Es musste sich um eine Strafkompanie handeln, in der verurteilte Verbrecher vor die Wahl gestellt wurden, ihre Strafe in den Salzminen abzuarbeiten, was einem Todesurteil auf Raten gleich kam, oder sich für die Armee zu verpflichten. Oft für den Rest des Lebens. Sie waren der verlorene Haufen, die Soldaten welche die Selbstmordkommandos durchführten und in der ersten Schlachtreihe standen. Gualterio war sich sicher, in der Sechsten würde er die Leute finden die er suchte.
"Wenn ihr wollt, stell ich euch ein paar aus der zweiten vor", meinte Nardek und wollt ihn weiterführen. Doch der Korporal drückte ihm stattdessen stumm den Helm und das Schwert in die Hand und schnallte sich die Waffengurte mit seinem Arsenal an Messern und Dolchen ab. Dann begann er sich auszuziehen, schlüpfte aus dem Wappenrock, den schweren Ringpanzer und dem gesteppte Lederwams, bis er nur noch mit nacktem Oberkörper, Lederhose und Reitstiefel dastand. Danach schritt er in den Sägemehlring, baute sich vor dem anderen Kriegerprinzen auf und mass ihn mit seinem Blick von Kopf bis Fuss. Malateste war im Gegensatz zum anderen Kriegerprinzen vollkommen haarlos am Oberkörper und etwas grösser und breiter gebaut, doch der andere erweckte den Eindruck von katzenhafter Geschwindigkeit und Agilität.
„Habt ihr noch Lust auf eine weitere Runde?“ fragte Malateste den unbekannten Kriegerprinzen. „Mein Name ist Bonderus, Jason Bonderus, und will mich etwas aufwärmen.“
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